Dachau:Jazz als Kunstform

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Subtile Farbnuancen und eine fragile Anmut prägen die Musik des Saxophonisten Tony Malaby und seiner Band. Sie spielen Jazz in einer kunstvollen Form. (Foto: Toni Heigl)

Tony Malaby mit "Tubacello" in der Schranne.

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Kulturschranne experimentell, denn das Bier bringt Programmkoordinator Axel Blanz, mit Kellnerschürze ausstaffiert, höchstpersönlich. Auch er versteht es zu improvisieren. Zwischendurch moderiert er das Konzert an: Keine Minute hätten der "Jazz e.V."-Vorsitzende Klaus Bolland und er überlegen müssen, als sich die Gelegenheit bot, die Formation "Tony Malaby's Tubacello" zu buchen. Zu Recht: Das Konzert ist faszinierend.

Gerade vor der Pause fragt man sich zuweilen, ob dies wirklich noch ein Jazzkonzert ist, oder ob man nicht vielmehr einen Kammermusikabend der "musica viva" erlebt. Die Musiker agieren mit hoher Konzentration und spielen nach Noten. Insbesondere aber sind es die Besetzung und die damit einhergehende Klanglichkeit, die einen an neue Kunstmusik denken lässt: Mit Tenor- oder Sopransaxofon (Tony Malaby) sowie mit Cello (Christopher Hoffman), Tuba (gespielt vom legendären Bob Stewart) und Percussion (die Schlagzeuger John Hollenbeck aus einem Drumset und einem präparierten Flügel zusammensetzt) entsteht eine geradezu feinsinnige Kammermusik. Im Vordergrund steht dabei weniger ein furioser Groove, sondern zentral sind eine ungemein subtile Farbnuancierung und Binnenstrukturierung. Diese Musik nimmt sich Zeit in ihrer Entfaltung, sie schreitet ruhig, sie verharrt, sie sucht das spirituell Melodische, das dezent Geräuschhafte - und selbst hierbei stets die klangliche Eleganz.

Fragile Anmut

Wunderbar ist, was Hollenbeck aus seinem Instrumentarium hervorzaubert, wie er zwar zwischendurch knackigen Beat aufblitzen lässt, wie er aber ansonsten vor allem Atmosphären erzeugt, die den Zuhörer in ihren Bann ziehen. Und bedient er den präparierten Flügel (durch zwischen die Saiten gesteckte Gegenstände können diese nicht normal schwingen), entsteht eine Musik voll fragiler Anmut, die zwischen Melodie und geräuschhafter Verfremdung changiert.

Stewart spielt dazu einen zurückgenommenen Tubapart. Warm, innig, versonnen - und zugleich intensiv: rund und voll im Klang, die Basslinien oft auf geradezu spärliche Impulse reduziert, in den Soli die weit gespannten Linien mit hellen Obertonklängen bereichernd. Das passt wunderbar zu Hoffmans Cello, welches in den Arrangements eine hochkomplexe Funktion erfüllt: Mal ergänzt es die Tuba mit Basstönen oder gezupften Akkorden zum Continuo, mal tritt Hoffman mit Tony Malabys hypnotischem Saxofonspiel in Dialog, mal steuert er durch die Verwendung elektronischer Effekte ganz eigene Momente zum Gesamtklang bei. Dies alles geschieht in einem steten Fluss, ohne Brüche, ohne, dass die anspruchsvolle Architektur der Musik steril oder verkopft erschiene. Alles wirkt lebendig.

Kinder, die Skorpione verspeisen

Umso wirkungsvoller ist es, wenn Malaby in der zweiten Konzerthälfte seine Mannen in merklich jazzigere Ausdrucksmomente steuert und die Musik häufiger Fahrt aufnimmt. Die Klangeruptionen, die Malaby sich nun mit dem Tenorsaxofon gestattet, sind nie hemmungslos, aber zweifelsohne hochenergetisch. Das macht Freude. Bleibt eigentlich nur das Problem, dass Malaby das Publikum mit seinen Moderationen permanent in die Irre führt: Hörte man dieses Konzert als absolute Musik, wäre die Freude an der innermusikalischen Qualität der Kompositionen und ihrer Darbietung ungetrübt.

Doch der Versuch, irgendwie das herauszuhören, was Malaby als Inspiration seiner Stücke mitteilt (zum Beispiel Indianerkämpfe, in Tiefkühlforellen gefüllter Wodka als groteske Ausprägung amerikanischen Kampftrinkens, Kinder, die Skorpione verspeisen), ist oft vergebens.

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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