Dachau:Ein Mann ist auch nur ein Hund

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Dass Ludwig Thoma auch deftig formulieren konnte, führten Wolfgang Möckl, René Rastelli und Dominik Härtl (von links) in einer szenischen Lesung vor. (Foto: Toni Teigl)

Private Korrespondenzen und Gedichte offenbaren die erotische Seite von Ludwig Thoma

Von Petra Neumaier, Dachau

Also so ein Hallodri aber auch, der ehrenwerte Herr Ludwig Thoma! Da wiegt er seine Leserschaft mit seinen Lausbuben-Anekdoten, der Heiligen Nacht und anderen Geschichten und Gedichten in kindlicher Unschuld. Und dabei hat er's doch faustdick hinter den Ohren. Dominik Härtl ist jedenfalls reichlich fündig geworden, als er sich anlässlich des 150. Geburtstagsjahres für die Ludwig-Thoma-Gemeinde Dachau auf die Suche machte, den anderen, den "erotischen" Ludwig Thoma zu finden. Zusammen mit Angelika Mauersich, Wolfgang Möckl und René Rastelli trug er nun die Ergebnisse aus privaten Korrespondenzen, Gedichten und Geschichten in einer äußerst unterhaltsamen szenischen Lesung vor. Um auch der Frage nachzugehen, ob der Autor nun ein Weiberfeind, -freund oder gar -held war? Die Antwort überließ er dem doch sehr von den deftigen Worten überraschten Publikum.

Mit sichtlichem Vergnügen an der Sprache und den provokanten wie süffisanten und zuweilen auch recht derben Reimen und Beschreibungen nahmen sich die vier Darsteller und Rezitatoren des Themas an. Mal abwechselnd vorlesend, dann wieder in Szene gesetzt: Als Ludwig Thoma, als Josef Filzer nebst Gattin oder einfach nur als sie selbst und musikalisch begleitet von Stefan Auer. Mit passenden Stücken auf dem Klavier gönnte er dem Publikum zwischen den einzelnen "erotischen" Blöcken eine angenehme Pause.

Ludwig Thoma war zwar einer, der sich mit dem Beschreiben romantischer Liebeszenen äußerst schwer tat. (Daher vermied er jene weitgehend in seinen Geschichten und Gedichten.) Eine möglichst deutliche und wirklichkeitsnahe Beschreibung erotischer und sexueller Szenen forderte er hingegen von anderen Autoren ein. Ihn selbst als prüde bezeichnen zu wollen, wäre jedoch weit gefehlt. Sachlich, wie es sich für einen Juristen ziemt, äußerte er sich sehr offen über die Lust als solche und insbesondere des Mannes auf das weibliche Geschlecht sowie den Akt daselbst. Gern, das bewies das Sammelsurium, bediente sich Ludwig Thoma bei seinen Beschreibungen der Natur. Respektive der Tierwelt. Wie "Im Maien", wo es um die Frühlingsgefühle der Hunde geht. Vordergründig zumindest. Denn: "Mädchen! Sieh an diesen Hunden, was auch unsere Wünsche sind! Hast du wen im Mai gefunden. O so tu! A-h! A-hu! Alles, was er will, mein Kind!"

Für dieses frivole Gedicht musste er allerdings 1902 einem Karl Rothmaier Rechenschaft ablegen. Wobei Thoma das Hundegedicht als lustig und den Koitus als das Menschlichste darstellt ("das Natürlichste ist keine Sauerei") - was er denn auch im Gedicht "Frühlingsahnen" unterstreicht. "Treibet das Geschäft der Paarung! Lasset der Natur den Lauf! Denn ihr wisset aus Erfahrung, Einmal hört es leider auf." Nicht minder zimperlich war er in seinen Filser-Briefen, dem Münchner Karneval, in seinem Essay über Pornografie und vor allem in seinen Gedichten über Briefe aus Paris. Doch auch aus der Sicht der Ehefrau vermochte er zu schreiben, die vergeblich daheim auf den Gatten wartet. Der sich aber lieber in der Wirtschaft mit seinem Bier vergnügt. Und dann muss die Frau ihn auch noch samt "unschönen Tönen" im Schlafgemach ertragen! Fazit: "Amor flieht, und deutsche Frauen klagen". Falsche Moral war Ludwig Thoma außerdem ein Groll. Und so konnte er nichts Verwerfliches erkennen, sich in Paris ausgiebig zu vergnügen (weshalb er in einem Brief sogar seinen Verleger um mehr Geld bat) und sich ansonsten an bereits geehelichte Damen heranzumachen.

Fast langweilig und kitschig wirkte nach der Pause seine schmachtende und wohl einzige Liebesszene (wunderbar dargestellt vom Ehepaar Dominik Härtl und Angelika Mauersich), die dann rasch Platz machte für Thomas Plädoyer für sexuelle Aufklärung, Lebensweisheiten und persönliche Erfahrungen. Herrlich zum Abschluss der beeindruckenden und kurzweiligen Lesung das gemeinsam gesanglich vorgetragene Gedicht über die Gleichgültigkeit, in dem Thoma den Besuch einer ihm unbekannten Frau in seinem Bette beschreibt: "Was bedeutet dieserhalb ein Name? In der Liebe ist das einerlei. Man verlangt nur, dass es eine Dame und von angenehmen Fleische sei." Was letztendlich auch die zu Anfang gestellte Frage über Thomas Frauenbild beantwortet. Wie's scheint, war er halt auch nur ein hundsgewöhnlicher Mann.

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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