Crystal Meth:Teufelszeug

Lesezeit: 3 min

Das hochgefährliche Crystal Meth wird nach Erkenntnissen der Dachauer Drogenberaterin Sylvia Neumeier und des Landeskriminalamts auch im Landkreis gehandelt. Benni T. erzählt seinen Leidensweg in die Sucht.

Von Benjamin Emonts

Crystal Meth ist eine hochpotente chemische Substanz. Die synthetische Droge gilt als mindestens so gefährlich wie Heroin. Sie stimuliert zunächst, zerstört aber dann den Körper systematisch. (Foto: imago stock&people)

Als Benni T. (Name geändert) seine erste Line Crystal zieht, passiert zwei Minuten lang nichts. "Ich habe mich verarscht gefühlt", erinnert er sich. Dann aber, als er aufsteht und schlafen gehen will, erlebt er das Gefühl, das er bis heute nicht vergessen kann: Sein ganzer Nacken fängt an zu kribbeln, seine Pupillen weiten sich, ein angenehmer, leichter Druck entsteht hinter seinen Augen. Aus der Angst, unter welcher der damals 17-Jährige leidet, wird von jetzt auf gleich pure Euphorie, aus seinen negativen Gedanken reine Glücksgefühle. "Es fühlt sich an wie Gänsehaut vom Hals bis an den Kopf", sagt er noch heute. "Für mich ist Crystal die beste Droge, die es gibt."

Damals, als Benni T. zum ersten Mal mit der Droge in Kontakt geraten war, lebte er noch in Dresden. Im Osten Deutschlands war Crystal Meth bereits auf dem Markt, als die Droge im Landkreis Dachau, wo Benni T. heute lebt, noch nicht einmal bekannt war. Nun, 15 Jahre später, ist die Situation eine völlig andere: Methamphetamin, das hierzulande fast ausschließlich in kristalliner Form konsumiert wird, eine Droge, die Müdigkeit, Hunger, Angst, Schmerz und jeglichen Selbstzweifel unterdrückt, ist inzwischen auch im Landkreis Dachau auf dem Vormarsch. Während es anfangs noch zwei bis drei Personen pro Jahr gewesen sind, hat die Dachauer Drogenberatungsstelle Drobs im Jahr 2014 bereits die gleiche Anzahl innerhalb der ersten beiden Monate aufgenommen. Dass die Dunkelziffer weitaus höher sein dürfte, belegt eine Zahl des Bayerischen Landeskriminalamts: Während im Jahr 2009 in ganz Bayern noch 29 Ersttäter registriert wurden, waren es im vergangenen Jahr bereits mehr als 500.

"Crystal Meth wird mittlerweile auch im Landkreis verkauft", sagt Sylvia Neumeier. Die Geschäftsführerin der Drobs weiß wovon sie spricht, sie hat bereits Ende 2010 und Anfang 2011 die ersten Klienten aufgenommen, die ihrer Crystal-Sucht nicht mehr Herr wurden. Seitdem beobachtet Neumeier, dass die Zahl der Konsumenten "deutlich ansteigt" - eine Entwicklung, die sie seit jeher mit großer Besorgnis verfolgt. "Diejenigen, die zu uns kommen, haben massive Probleme."

Bernd Kreuzer vom Dezernat für Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität des Landeskriminalamts Bayern wundern Neumeiers Beobachtungen nicht. Kreuzer weiß, dass seit dem Sommer 2009 auf den grenznahen Vietnamesenmärkten in der Tschechischen Republik die Droge Crystal verstärkt beworben und verkauft wird. Seitdem, sagt Kreuzer, schwappe die Crystal-Welle mit großer Wucht nicht nur auf Niederbayern, sondern auch verstärkt auf Oberbayern über. "Es handelt sich schon lange nicht mehr um ein reines Grenzproblem", sagt Kreuzer. Im Nachbarland werde der Stoff nach industriellen Maßstäben und in exorbitant guter Qualität hergestellt. Die Fallzahlen der bayerischen Landkreise breiteten sich von Ost nach West immer weiter aus. Das Problem ist: Wer süchtig nach Crystal ist, der hat geringe Chancen auf Rehabilitation. Kreuzer: "Crystal Meth ist unser Problem Nummer eins."

Sylvia Neumeier von Drobs hat erst kürzlich einen 23-jährigen Mann kennen gelernt, der durch den extensiven Crystal-Konsum halbseitig gelähmt ist. Doch Neumeier weiß nicht erst seitdem, dass die Droge zu massiven Hirnschäden und rapider Alterung führt: "Crystal frisst das Gehirn regelrecht weg", sagt sie. Die irreversiblen Schäden führten so weit, dass Menschen eine Tasse nicht mehr als Tasse erkennen oder banale Worte einfach vergessen würden. Probleme, wie auch Benni T. sie kennt.

Der heute 31-Jährige, ein kräftig gebauter Mann mit kurz geschorenen Haaren, hat sich im Juli 2013 Drobs anvertraut, weil er trotz eines Selbstmordversuchs und zahlreichen Therapieversuchen immer wieder rückfällig geworden war. Nach den ersten ein, zwei euphorischen Jahren mit der Droge - sein Dealer und Freund wurde damals verhaftet - begannen die psychischen und finanziellen Probleme. Benni T. erinnert sich: "Irgendwann geht's gar nicht mehr ohne. Der ganze Tagesablauf dreht sich um die Fragen: Wo bekomme ich Crystal? Und wie finanziere ich es?" Die Toleranz der Crystal-Konsumenten gegenüber der Droge nimmt relativ schnell zu, die Dosen müssen deshalb immer mehr gesteigert werden. Benni T. konsumierte zu seiner Hochzeit drei Gramm pro Tag, er besaß einen Pulli, eine Hose, ein paar Schuhe und lebte in einer Wohnung, die der eines Messis glich. "Die Menschen verelenden", sagt Sylvia Neumeier. Crystal-Konsumenten seien Schwerstkranke.

Umso erstaunlicher ist, dass Benni T. nach 15-jährigem Dauerkonsum einen intelligenten und aufgeweckten Eindruck macht. Viele seiner ehemaligen Freunde und Bekannten sind inzwischen an der Droge zu Grunde gegangen, etliche darunter haben sich das Leben genommen. Sylvia Neumeier sagt: "Benni hat Glück, dass er ein sehr intelligenter Mensch ist. Er hat nun die Aufgabe, etwas daraus zu machen." Es ist seine letzte Chance.

© SZ vom 26.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: