Bühne:Das Glühkäppchen

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Für Hochspannung reichen schon wenige Volt. (Foto: Niels P. Joergensen)

Bei den Dachauer Theatertagen bekommt das staunende Publikum ein Leuchtstoffmärchen zu sehen

Von Jana Rick, Dachau

Das Märchen vom Rotkäppchen kennt wohl jeder. Aber dass Rotkäppchen und der Wolf plötzlich Glühbirnen sind - so kennt man die Geschichte der Gebrüder Grimm noch nicht. "Mit Glühbirnen", kündigt das Programm der Dachauer Theatertage die Aufführung an, aber so richtig vorstellen kann sich das kein Zuschauer. Doch die beiden Puppenspieler Melanie Sowa und Pierre Schäfer der "United Puppets" aus Berlin zeigen, wie schnell man ein bekanntes Märchen in ein faszinierendes Sound- und Lichtstück verwandeln kann.

Die Puppenköpfe an diesem Nachmittag im Ludwig-Thoma-Haus werden durch Glühlampen ersetzt: Rotkäppchen wird natürlich durch eine rote Glühbirne charakterisiert, dann gibt es noch "Oma Flämmchen" auf der abgedunkelten Bühne, und zum Geburtstag bekommt das kleine Rotkäppchen einen Birnenkuchen. Umarmen sich die beiden, dann blinkt das Licht der Glühbirne freudig auf; geht Rotkäppchen schlafen und schließt die Augen, dann erlischt das Licht. Minimalistisch und einfach gedacht, doch auch die Erwachsenen im Publikum müssen über die Ideen schmunzeln. Die Kinder, allesamt in den ersten Reihen untergebracht (was natürlich mutig ist, so nah am bösen Wolf), sagen am Anfang noch "Cool!" zu Rotkäppchen mit der roten Birne, dann sind sie versunken in der Glühbirnenwelt. Für sie bleiben die Puppen einfach Rotkäppchen und der Wolf. Die Geschichte bleibt dieselbe, Rotkäppchen begibt sich unbekümmert in den düsteren Wald, um der kranken Großmutter ein Stück ihres Geburtstagskuchens vorbeizubringen. "Bei den drei großen Eichen" wohnt diese, und die Mutter des Kindes warnt: "Komm nicht vom Wege ab!" So kennt man die Geschichte. "Jetzt kommt der böse Wolf, oder?" fragt ein kleiner Junge im Publikum flüsternd, als das erste Jaulen ertönt, und dreht sich nach seiner Mutter um. Der Wolf ist eine zottelige Puppe mit gelber Leuchtdiode und hat dieselben bösen Absichten wie im Märchen, nur dass er heute dem Rotkäppchen vorgaukelt, der Oma Salbei vorbeizubringen. Sie hat "Bronchititis", liegt mit ihrer Schlafhaube - einem Lampenschirm - im Bett, und bei jedem Nieser flackert ihre Glühbirne. Die Kinder lachen laut, doch als der Wolf die Oma frisst, sind sie ganz still. Das Flämmchen wandert seinen Bauch hinunter, er rülpst laut und meint "Ganz schön zäh, die Alte". Da können die Kinder wieder lachen.

Zum Glück gibt es Jäger Karl. Er stellt alle Figuren wortwörtlich in den Schatten: Symbolisiert durch eine grüne Glühlampe wird er bei jedem Auftritt mit einem Alpenhorn angekündigt und sagt in seinem Wald zum Publikum: "Ich liebe Bäume". Mit seiner liebenswürdigen Art und vor allem mit seinem bairischen Dialekt wird er schnell zum Liebling des Stückes. "Ich hab doch gesagt, eines Tages erwische ich den Lump", sagt er stolz, als er Rotkäppchen und Oma Flämmchen schließlich aus dem Bauch des Wolfes befreit. Er verabschiedet sich zum Ende des Stückes mit "Also Servus" und "Habe die Ehre".

Das Publikum ist enttäuscht, dass die Aufführung schon zu Ende ist, man hätte dem Leuchtstoffmärchen noch länger zuschauen können. "So schön kann Kindertheater sein", sagt Frank Striegler, Organisator der Dachauer Theatertage, und lächelt. Doch von Kindertheater kann nicht die Rede sein, denn auch die Erwachsenen sind begeistert. So sagt eine Mutter: "Mir hat es wahnsinnig gut gefallen. Ich konnte mir das mit den Glühlampen nicht so richtig vorstellen, aber es war wirklich ideenreich."

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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