Bizarrer Betrugsfall:130 000 Euro Schaden, null Beweise

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Der Richter äußert Zweifel an der Unschuld des Angeklagten. Freisprechen muss er ihn trotzdem. Schuld daran ist auch das Opfer.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Die wahre Geschichte wird wohl nie ans Licht kommen: Das Bargeld, insgesamt 130 000 Euro, bleibt spurlos verschwunden. Wer es sich zu eigen gemacht hat? Nicht aufklärbar.

Anders lässt sich der zweitägige, von widersprüchlichen Aussagen geprägte Prozess am Dachauer Amtsgericht nicht beschreiben. Fakt ist: Ein 29-jähriger Karlsfelder, dem vorgeworfen wurde, sich 131 500 Euro von einem Bekannten unter den Nagel gerissen zu haben, wurde am Mittwochvormittag vom Dachauer Schöffengericht freigesprochen.

"Das Gericht ist von der Unschuld des Mannes nicht überzeugt", gab Amtsrichter Lukas Neubeck offen zu. Es habe zwar Indizien gegeben, die gegen den Karlsfelder sprachen. Aber die "dünne und widersprüchliche Beweislage" machten einen Freispruch unumgänglich.

Investition in ein Bauprojekt, das es nie gab

Die Leidtragenden des Urteils sind zwei Geschwister aus München. Sie haben im Jahr 2012 innerhalb weniger Monate mit dubiosen Investitionen die gesamte Erbschaft ihrer Großmutter verloren, mehr als 400 000 Euro. Folgt man den Aussagen des männlichen Geschwisterteils soll sich neben zwei Personen, die ihm Goldbarren weit über Wert verkauften, auch der Angeklagte aus Karlsfeld an ihnen bereichert haben. Er soll - und das legt ihm auch die Staatsanwaltschaft zur Last - für den Bau eines Einfamilienhauses 131 500 Euro von den Geschwistern als Vorschuss entgegengenommen haben - für eine Immobilie wohlgemerkt, die noch nicht einmal auf dem Papier existierte.

Der damals psychisch schwer kranke Münchner will dem Karlsfelder das Geld vor dessen Bank im Juni 2013 bar in einem Couvert übergeben haben. Letzterer wiederum bestritt das: "Ich habe das Geld nie gesehen." Für das Gericht galt es letztlich zu klären, ob der Geldbetrag dem Angeklagten als Barzahlung übergeben wurde oder nicht. Doch das war nicht möglich: Aussage stand gegen Aussage.

Umso bedeutender waren schließlich die Angaben von Andreas P. (Name geändert), einem Freund der streitenden Parteien. Er hatte das gemeinsame Bauprojekt mit einem Bekannten eingefädelt; später verkauften sie dem Münchner zum Preis von mehr als 200 000 Euro Goldbarren, die in Wahrheit aber viel weniger wert waren. Gegen Andreas P. und seinen Bekannten, der vom Gericht nicht ausfindig gemacht werden konnte, steht am Münchner Landgericht wegen des Goldbarrenverkaufs und räuberischer Erpressung ein Prozess an. P. sagte dem Gericht, die Geldübergabe gesehen zu haben. Die genaue Summe konnte er allerdings nicht nennen.

Extrem dünne Beweislage

Was den genauen Hergang der Geldübergabe betraf, widersprach er den Schilderungen des geschädigten Münchners. P. mutmaßte, sein nicht aufzufindender Bekannter könnte sich maßgeblich am Vermögen der Geschwister bereichert haben. Der nämlich führe inzwischen die gut laufende Vereinsgaststätte eines Münchner Tennisvereins. "So eine Übernahme kostet nicht wenig Geld."

"Es bleibt ein großes Fragezeichen für das Gericht", sagte Amtsrichter Lukas Neubeck. Aufgrund mangelnder Beweise sprach er den Angeklagten frei. Dem Geschädigten wies er eine "erhebliche Mitschuld" an der dünnen Beweislage zu. "Eine einzige Quittung hätte zur Klärung des Falls vielleicht schon gereicht." Für den Verbleib des Geldes seien viele Konstellationen möglich. Denkbar sei, dass sich der Angeklagte das Geld eingesteckt habe oder die beiden Mittelsmänner, "die den Geschädigten später um mehrere 100 000 Euro erleichterten".

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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