Ausverkaufte Premiere:Besser auf Bairisch

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Der Kulturkreis Haimhausen brilliert mit Opern im Dialekt. Das Publikum formiert sich spontan zum Chor

Von Dorothea Friedrich, Haimhausen

Welcher Torero zog wo in welchen Kampf? Wie war das noch mit Don Giovanni, dem Prototypen eines Womanizers? Und was hat es bitte mit einer Zauberflöte auf sich? Fragen über Fragen. Überraschende Antworten gaben in der überfüllten Kulturkreiskneipe Haimhausen Heike Schiebel, Arno Sedlmeier, Stephan Leitmeir und Günther Trinkl mit "Opern auf Bayerisch".

Das ist ein famoser Spaß für notorische Operngänger und solche, die es vielleicht werden wollen. Insgesamt 26 Opern hat der Schriftsteller und Kulturmensch Paul Schallweg (1914-1998) in den bayerischen Kultur- und Sprachraum verlegt. "Carmen oder wia d'Liab an Sepp zum Mörder g'macht hat", "Don Giovanni oder der Graf Hallodri von Lengrias" sowie "Die Zauberflöte oder das Wunder vom Königssee" hatten die Mitglieder des Kulturkreises Haimhausen für die Landkreis-Premiere dieser Dauerbrenner ausgesucht. Denn bereits seit mehr als 30 Jahren haben Aufführungen mit großem Orchester, irrwitziger Percussion sowie den Schauspielern Gerd Anthoff, Conny Glogger und Michael Lerchenberg im Münchner Gärtnerplatz- oder Prinzregententheater Kultstatus.

Ein großes Orchester brauchen die Haimhausener nicht. Sie haben Günther Trinkl und seine Drehorgel. Aber der Kulturkreis hat noch mehr zu bieten: ein Alleinstellungsmerkmal gewissermaßen, auf das die Münchner durchaus neidisch sein können, nämlich Andreas Schiebel, einen wunderbaren Illustrator. Er hat mit seinen treffenden, urkomischen, kolorierten Zeichnungen kleine Bühnenbilder für richtig großes Theater gezaubert. Unter einem Hirschgeweih hat er dafür auf einer Staffelei ein überdimensionales Buch aufgebaut. Stephan Leitmeier blättert es Szene für Szene mit großer Geste um - und wie in längst vergangenen Moritatensänger-Zeiten erscheinen die Illustrationen zu den Opern-Geschichten.

(Foto: Toni Heigl)

Die haben es in sich. Geht es doch in urbayerischer Kulisse mit Bauernhausmöbeln und allzeit griffbereiten blaugemusterten Steinkrügerln zunächst um Carmen, "die Todsünde in Person", ihren Teilzeit-Liebhaber Sepp alias Don José und den Lackaffen von Torero namens Escamillo. Mit großer Gestik und Mimik, mit einer ausgesprochenen Liebe zum Detail und selbstredend in bestem Bairisch lesen und spielen Heike Schiebel, Arno Sedlmeier, Stephan Leitmeir diese Tragödie. Leierkastenmann Trinkl hat dazu keine Opernarien im Programm, sondern jede Menge Evergreens und Schlager. Bei "Eviva España" lässt sich im Zuschauerraum eine Spontanmutation erleben: Das Publikum wird zum großen Opernchor und singt gefühlvoll mit. Das wiederum beflügelt die Darsteller auf der Bühne so, dass sie förmlich mit ihren Rollen verschmelzen - die Opernpersiflage ist perfekt.

Sie zücken zu Schallwegs aus heutiger Sicht etwas moralinsauren Betrachtungen zu Carmens bitterem Ende riesige Schnäuztücher, Trinkl spielt "Tränen lügen nicht", der Spontanchor singt ergriffen mit - und biegt sich vor Lachen. Doch da ist noch mehr drin: Der Graf Hallodri von Lengrias ist eines von Schallwegs Meisterstücken. Mit samtweicher Verführerstimme erzählt Arno Sedlmeier, wie sich der Graf an die brave Bauerstochter Annamirl ranmacht und deren Vater hinterhältig mit einem Hirschhornmesser ersticht. Das ist bekanntlich der Anfang vom Ende des testosterongesteuerten Giovanni.

Günther Trinkl ersetzt an der Drehorgel ein ganzes Orchester. (Foto: Toni Heigl)

Stephan Leitmeier macht als Diener Ulli aus der berühmten Registerarie des Leporello ein echtes Gustostückerl und ist als tumber Hias aus der Jachenau einfach umwerfend. Heike Schiebel ist dessen widerwillige Braut Zenzi, die Giovanni-fixierte Elvira und das Annamirl in Personalunion. Sie zeigt mit viel Spaß und Augenzwinkern die weniger schönen Seiten weiblicher Liebe und Triebe.

Jonny Weismüllers gekonnte Licht- und Toneffekte erzeugen die notwendigen wohligen Schauer, Trinkl spielt mit einem Grinsen im Gesicht: "Zipfel rein, Zipfel raus". Ein Schelm, wer Sexistisches dabei denkt. Lässt sich das noch toppen?

Ja, mit dem "Wunder vom Königssee". Der Berchtesgadener Ignaz hat ein Auge auf Kellnerin Wiebke geworfen. Seinem Glück im Weg stehen jede Menge Saupreißn. Im Traum erscheinen ihm die Blaueisgletscherkönigin und der König Watzmann. Sie weisen ihm den rechten Weg zu seinem Glück mit Wiebke, die selbstredend Preußin ist. Zauberflöte und Glockenspiel helfen, sämtliche Bayern- und Preußenklischees ad absurdum zu führen. "El condor pasa" ist die Musik der Wahl. Der Saal tobt - und will mehr. Weil man erstens nie genug von dieser bayerischen Sicht auf den Opernkosmos bekommen kann und weil man zweitens selten eine so erfrischende, animierende und lustige Aufführung dieser Theater-Schmankerl erlebt hat. Da capo!

© SZ vom 11.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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