Amtsgericht Dachau:Selbstbedienung im Rathaus

Eine Verwaltungsangestellte leitet mehr als 50 000 Euro einer Landkreisgemeinde aufs eigene Konto um. Klar, dass das irgendwann auffliegen muss.

Petra Schafflik

- Um private Finanzlöcher zu stopfen, hat eine Verwaltungsangestellte Gelder aus der Kasse einer Landkreisgemeinde auf eigene Konten umgeleitet. Über den Zeitraum von mehreren Monaten hat die Frau Gewerbesteuerbescheide manipuliert. Dadurch ergaben sich fiktive Erstattungsbeträge von insgesamt 51 164 Euro, die sie an sich selbst überwiesen hat. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Amtsrichter Lars Hohlstein verurteilte die Angestellte am Mittwoch wegen Falschbeurkundung im Amt und Untreue zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Als Auflage muss die Frau den entstandenen Schaden in Raten an die Gemeinde zurückzahlen. Sie ist dort nicht mehr tätig.

"Wenn ich könnte, würde ich alles rückgängig machen", sagt die Angeklagte, die gepflegt gekleidet, aufrecht und ruhig neben ihrem Anwalt auf der Anklagebank sitzt. "Nach dem Eindruck, den sie heute vermitteln, würde man Ihnen die Straftaten nicht zutrauen", sagt der Amtsrichter. Doch die Angestellte räumt alle Vorwürfe ein, die ihr zur Last gelegt werden. In nüchtern-sachlichem Ton schildert die Frau, wie plötzlich die finanzielle Existenz der Familie zusammenzubrechen drohte. Weil ihrem selbständig tätigen Mann unerwartet Aufträge wegbrachen, "hatten wir nur noch eine kleine Einnahmequelle".

Dann sei es Schlag auf Schlag gegangen: "Banken kündigten die Konten, Krankenkasse und Finanzamt wollten Geld, mir wuchs alles über den Kopf." Heute scheint sich die Angeklagte selbst zu wundern, zu welch kriminellen Mitteln sie gegriffen hat. "Warum ich das gemacht habe, ist mir gar nicht mehr klar", sagt die Frau. Zu den Manipulationen im Computersystem der Gemeinde, durch die sie monatelang immer wieder Gemeindegelder umgeleitet hat, äußert sie sich nicht detailliert. Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft hat die Angestellte bereits abgeschlossene Gewerbesteuerfälle nachträglich so verändert, dass sich fiktive Erstattungsbeträge ergeben haben. Diese Summen überwies die Angeklagte dann auf verschiedene Konten, auf die sie selbst Zugriff hatte. Über die Zeit wurden 19 Mal Daten gefälscht, Beträge zwischen wenigen hundert und 7000 Euro hat die 45-Jährige in die eigene Tasche gewirtschaftet. Wie die Angeklagte darauf hoffen konnte, unentdeckt zu bleiben, wundert sich Amtsrichter Lars Hohlstein. In einer Gemeinde mit den üblichen Kontrollinstanzen "kommt so was doch auf jeden Fall heraus."

Die Angeklagte kann sich ihr Verhalten selbst nicht erklären, ist erschrocken über die Höhe des Schadens. "Ich habe den Überblick verloren, wollte immer nur Löcher stopfen." Diese Straftaten gingen "weit über einen Kleinbetrug hinaus", die Angeklagte habe "wohlüberlegt und mit ziemlichem Aufwand" gehandelt, erklärt der Staatsanwalt. Auch der lange Zeitraum, über den das Geld veruntreut wurde, spreche gegen die Angeklagte. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft plädiert daher für eine Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten, für ein Strafmaß also, das nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Tatsächlich sei die Angeklagte "im Vergleich zu Zumwinkel und Co doch nur ein kleiner Fisch", argumentiert dagegen der Rechtsanwalt, der eine Bewährungsstrafe für angemessen hält. Die Angeklagte, so der Anwalt, "hat sich für ihre Familie aufgeopfert". Das Schöffengericht verurteilt die Angeklagte schließlich nach kurzer Beratung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wird.

Dieses Verfahren sei "schon ein herausragender Fall", betont Amtsrichter Lars Hohlstein in seiner Urteilsbegründung. Denn ihre Vertrauensposition als Amtsträgerin habe die Frau ausgenutzt, um persönliche Schulden auszugleichen. Das wiege besonders schwer, weil so das Vertrauen der Bürger in öffentliche Behörden und Ämter erschüttert werde. Dennoch kommt die Angeklagte gerade noch mit einer Bewährungsstrafe davon. Festgesetzt wird aber eine Bewährungsfrist von fünf Jahren. "Das ist länger als üblich", erläutert der Amtsrichter. Ausschlaggebend sei der Gedanke, dass die Angeklagte in dieser Zeit den entstandenen Schaden zum großen Teil ausgleichen soll.

Mit der Rückzahlung in Raten hat sie schon vor der Verhandlung begonnen. Dieser erkennbare Wille zur Wiedergutmachung "hat Ihnen den Kopf gerettet", betont der Richter.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: