Amtsgericht Dachau:Scharf auf hohe Absätze

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34-Jähriger lässt aus Hausfluren Pumps und Stiefeletten mitgehen - er sieht sich selbst als "Schuhfetischist".

Von Daniela Gorgs

Damenschuhe. (Foto: dpa)

Die sexuelle Vorliebe für hohe Absätze ist nicht strafbar. Die Objekte der Begierde vor den Wohnungstüren wildfremder Frauen zu stehlen, dagegen schon: Weil ein 34-jähriger Mann Stöckelschuhe und Stiefeletten aus Hausfluren von Mehrfamilienhäusern in Dachau und Karlsfeld gestohlen hat, muss er sich vor dem Amtsgericht Dachau verantworten.

14 Diebstähle im Zeitraum von drei Jahren hält der Staatsanwalt dem Angeklagten vor. In vier Fällen wurden die Haustüren mit einem Werkzeug aufgebrochen, an den Türrahmen entstand erheblicher Schaden durch Kratzspuren. Laut Anklageschrift entwendete der 34-Jährige die einzelnen Schuhe nachts oder in den frühen Morgenstunden. Hochhackige Pumps, Lederschnürstiefel, meist linke Exemplare. Einmal jedoch ließ er die Stiefeletten stehen und holte sich stattdessen einen Akkuschrauber im Wert von 200 Euro aus einem nicht verschlossenen Schuhschrank.

Der Angeklagte lässt den Prozess über sich ergehen. Er spricht sehr leise, senkt immer wieder das Kinn aufs Brustbein, mehrmals kann er die Tränen nicht zurückhalten, nimmt dann seine Brille ab, um die Augen zu trocknen. Er steht ganz offensichtlich unter Druck. Vorsitzender Richter Lars Hohlstein fragt ganz direkt: "Warum Damenschuhe?" Ebenso prompt kommt die Antwort: "Sie gefallen mir", sagt der 34-Jährige und berichtet, dass er die Pumps mitgenommen und wieder weggeschmissen habe. "Ich konnte sie ja nicht mit nach Hause nehmen. Wegen meiner Freundin." Auf die Frage des Richters, ob die Diebstähle einen sexuellen Hintergrund haben, antwortet der Angeklagte ohne Umschweife: "Ich bin halt ein Schuhfetischist." Allein das Stehlen habe ihn schon befriedigt, sagt er. Der 34-Jährige holt tief Luft, berichtet dann, dass er schon seit vergangenem Herbst in psychologischer Behandlung sei. Er wolle jetzt seinen ganzen Mut zusammennehmen und den Schuhtick seiner Freundin offenbaren und diese auch in die Therapie einbeziehen. Ziel sei, den Fetisch auszuleben, ohne kriminell werden zu müssen.

Der 34-Jährige hatte der Polizei bei der Aufklärung der Straftaten sehr geholfen. Bei einer "Tatortrundfahrt" zeigte er den Ermittlungsbeamten die einzelnen Mehrfamilienhäuser. Auch jetzt vor dem Amtsgericht räumt er sämtliche Vorfälle unumwunden ein. Doch gegen die besonders schweren Fälle, die Einbrüche mittels Werkzeug, verwehrt er sich. Immer habe er die Haustüren mit sanftem Druck öffnen können. Der Staatsanwalt bohrt nach, weil er sich die Einbruchsspuren nicht erklären kann. Dann bittet der Verteidiger um ein kurzes Gespräch mit seinem Mandanten. Erst danach gibt der Angeklagte zu, dass er sich auch mal Zugang mit einem Schraubenzieher verschafft habe, wenn er wusste, dass es sich lohnte.

Laut psychiatrischem Gutachten ist der 34-Jährige voll schuldfähig. Ein Landgerichtsarzt konnte weder Intelligenzminderung noch eine Psychose feststellen, attestierte jedoch eine Störung im Sozialverhalten. Der Stöckelschuh habe Ersatzcharakter für den Körper, diene als Stimulus der sexuellen Erregung und Befriedigung. Allein der Diebstahl habe dem Angeklagten einen Nervenkitzel versetzt, nach Abklingen des Adrenalins sei das "Objekt der Begierde" entsorgt worden.

Das Bundeszentralregister des Angeklagten weist fünf Einträge auf. In den vergangenen Jahren war der 34-Jährige bereits wegen Diebstahls, Bedrohung, schwerer räuberischer Erpressung, Schwarzfahrens sowie Drogenmissbrauchs verurteilt worden. Der Staatsanwalt findet zunächst positive Worte für den Angeklagten, der seiner Ansicht nach kein typischer Dieb ist. Er habe keine teuren Güter gestohlen und sei zudem von seiner sexuellen Vorliebe gesteuert gewesen. Dennoch sprach er von "krimineller Energie" und plädierte auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Der Verteidiger möchte es bei einem Jahr und zwei Monaten belassen. Er sagt, sein Mandant habe die rote Linie überschritten, da er in die Privatsphäre anderer eingedrungen sei. Doch jetzt habe er Farbe bekannt. Hohlstein verurteilte den 34-Jährigen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten sowie einer Geldauflage von 1000 Euro. Das Urteil begründete er mit einer "unübersehbaren kriminellen Energie", die der Angeklagte mit dem leichtfertigen Umgang mit fremden Gütern an den Tag gelegt habe.

© SZ vom 26.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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