Amtsgericht Dachau:Nacktbilder ins Internet gestellt

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Ein 19-Jähriger ruiniert den Ruf seiner Ex-Freundin, indem er anzügliche Bilder von ihr ins Netz stellt. Vor Gericht gibt er sich ganz arglos.

Andreas Glas

Irgendwann bricht die 18-Jährige in Tränen aus. Es ist der Augenblick, als allen im Gerichtssaal klar wird, was ein einziger Knopfdruck auf dem Smartphone anrichten kann. "Egal, wo ich bin, es wird immer mit dem Finger auf mich gezeigt", sagt die junge Frau. Was sie danach erzählt, geht beinahe in ihrem Schluchzen unter. Dass sie auf einer Feier von vier fremden Mädchen auf die Fotos angesprochen wurde, dass die Fotos selbst in München die Runde machen: "Überall sagen die Leute: Du bist doch die Schlampe, die Nacktbilder von sich ins Internet stellt."

Ein paar Stühle daneben, auf der Anklagebank des Dachauer Amtsgerichts, sitzt derjenige, der ihr das alles eingebrockt hat: der Ex-Freund der jungen Frau. Zwischen März und Juni 2012 hat der 19-Jährige vier Nacktfotos, die während der gemeinsamen Beziehung entstanden sind, an zwei Freunde verschickt. Per MMS. Mit einem Knopfdruck eben. Er will nicht geahnt haben, dass er damit einen Schneeball-Effekt ausgelöst hat.

Innerhalb kurzer Zeit verbreiten sich die intimen Bilder auf unzähligen Smartphones im Umfeld der 18-Jährigen - und weit darüber hinaus. Selbst auf Facebook waren die Fotos zu sehen, die eigentlich als privater Dialog eines Liebepaars gedacht waren. Doch kurz nach dem Ende der Beziehung hielt es der Angeklagte offenbar nicht mehr für nötig, die Privatsphäre seiner Ex-Freundin zu schützen.

Er habe "nicht daran gedacht, dass sie nicht einverstanden sein könnte", wenn er die Fotos weiterverschickt, erzählt der 19-Jährige. Richter Daniel Dorner nimmt diese Aussage zur Kenntnis und geht zum zweiten Vorwurf über, dem sich der Angeklagte an diesem Nachmittag stellen muss: dem Vorwurf der Nötigung. Nach den Worten der Staatsanwältin soll der 19-Jährige kurz nach Ende der zweieinhalbjährigen Beziehung weitere Nacktbilder von seiner Ex-Freundin gefordert haben. Verbunden mit einer Drohung: Falls dies nicht geschehe, werde er die Bilder, die er bereits hatte, weiterverschicken. Die junge Frau weigerte sich - und kurze Zeit später waren die Fotos im Umlauf.

Nur "zum Spaß" will er nach neuen Nacktbildern gefragt haben, gibt der Angeklagte vor Gericht zu Protokoll. Und dass auch seine Ex-Freundin die Forderung als Spaß verstanden und nur mit den Schultern gezuckt habe. Die junge Frau schildert dem Richter eine andere Version: "Ich habe gehofft, dass er es nicht macht. Aber ich habe es ihm zugetraut", weil er bereits zum Zeitpunkt der Drohung das Gerücht verbreitet habe, dass sie "eine Schlampe" sei und Pornofilme drehe.

Als die Nacktbilder im Umlauf waren, sei sie sofort zu ihrem Ex-Freund gefahren und habe "ihn gefragt, was das soll. Aber er hat alles geleugnet und gesagt, dass er keine Ahnung hat, wer das war". Vor Gericht ist der 19-Jährige zwar geständig, gibt sich aber arglos: Ja, er habe die Bilder verschickt - aber seinen Freunden vertraut, dass sie die Bilder nicht weiterverschicken. Ja, er habe seiner Ex-Freundin gedroht - aber es sei nicht ernst gemeint gewesen.

"Das kann man glauben, muss man aber nicht", sagt Daniel Dorner - und lässt bereits anklingen, dass er den 19-Jährigen nicht nur wegen "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen" verurteilen wird, sondern wohl auch wegen Nötigung. Zu einem Schuldspruch kommt es trotzdem nicht, da ein Zeuge fehlt, der Aufschluss darüber geben soll, ob sich der Angeklagte auch der Verbreitung von Jugendpornografie schuldig gemacht hat. Denn als die Nacktbilder entstanden sind, war die junge Frau erst 17 Jahre alt, also nicht volljährig.

Verurteilt wird dagegen der 20-jährige Freund des Hauptangeklagten, der die ihm anvertrauten Fotos einfach weiterverschickt hat. Er spricht zwar von einer "Scheißaktion", die "total bescheuert" gewesen sei und entschuldigt sich bei der jungen Frau. Doch sagt er zugleich einen Satz, der bei der Staatsanwältin für Kopfschütteln sorgt: Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er etwas Falsches tue, denn wie er die 18-Jährige "wahrgenommen habe, hätte es sein können, dass sie ziemlich stolz ist auf ihren Körper". Richter Daniel Dorner verurteilt ihn dazu, 300 Euro an die Frauenhilfe Dachau zu zahlen. Für den 20-Jährigen ist die Angelegenheit damit erledigt. Die junge Frau dagegen dürfte noch eine ganze Weile mit den Folgen der Aktion zu kämpfen haben.

© SZ vom 26.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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