Amtsgericht Dachau:Glimpflich davongekommen

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Angeklagter kommt mit Bewährungsstrafe davon, obwohl der Staatsanwalt drei Jahre Haft fordert

Daniela Gorgs

Es ist eine schwierige Entscheidung. Entsprechend lang dauert die Beratung. Fast 50 Minuten zieht sich das Schöffengericht vor der Urteilsverkündung zurück. Fast entschuldigend erklärt der Vorsitzende Richter Lukas Neubeck später: "Die Anträge gingen doch sehr weit auseinander."

Der Angeklagte, ein 40-jähriger Mann, vernimmt das Urteil mit Erleichterung: zwei Jahre Haft auf Bewährung. Das Schöffengericht spricht ihn schuldig wegen vorsätzlicher, gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung. Er hatte seine 31-jährige Lebensgefährtin in regelmäßigen Abständen malträtiert. Der erste Übergriff fand vergangenes Jahr im Januar statt, der jüngste im Januar 2012. Die Attacken liefen immer gleich ab: Das Paar geriet in einen verbalen Streit, der in einen handfesten Angriff mündete. Meist folgte der Gang ins Krankenhaus, dann zur Polizei. Der 40-Jährige hatte seine Lebensgefährtin mit der Faust ins Gesicht geschlagen, sie geschubst und gewürgt. Er packte ihren Kopf, stieß ihn gegen die Wand und versetzte ihr Kopfstöße.

In einer ersten Verhandlung vor eineinhalb Wochen hörte das Schöffengericht die Lebensgefährtin an, die sämtliche Vorfälle ohne jeden Belastungseifer bezeugte und sich dennoch positive über den Angeklagten äußerte: "Wir haben die Probleme gelöst und hören jetzt aufeinander."

In der Fortsetzungsverhandlung äußerte sich eine ehemalige Freundin, gegen die er ebenfalls mehrere Jahre lang massiv Gewalt ausübte. Ohrfeigen und Schubsen seien schon normal gewesen. Gemeldet habe sie bei der Polizei nur die gravierenden Fälle. Einmal sei ihr nach einem Schlag das Trommelfell geplatzt, berichtet sie dem Schöffengericht. Zu Wort kommt in der Folgeverhandlung auch der Psychiater des Angeklagten, der das Gericht über die depressiven Verstimmungen des 40-Jährigen aufklärt. Er spricht von einer leichten bis mittelschweren Depression, die mit Psychopharmaka behandelt wird. Sein Klient neige dazu, in Stresssituationen unkontrolliert und überschießend zu reagieren. Sein Vorschlag: Er bräuchte einen Psychotherapeuten, der ihn an der kurzen Leine hält. Und: Der 40-Jährige müsse seine Medikamente regelmäßiger einnehmen.

Ein medizinischer Gutachter hält den Angeklagten, der bei einigen Übergriffen alkoholisiert war, für schuldfähig. Wohl aber schränkt er ein, dass die Persönlichkeitsstörung und Depression des 40-Jährigen bei den Vorfällen eine Rolle gespielt haben könnten.

Der Staatsanwalt hat überhaupt kein Verständnis für den Angeklagten. "Man mag es nicht glauben", beginnt er sein Plädoyer. "Die Frauen fliegen auf ihn", auch wenn er körperlich übergriffig ist und parallel mehrere Liebschaften pflegt. Weil der Angeklagte mehrfach und einschlägig vorbestraft sei, fordert der Staatsanwalt drei Jahre Haft - ohne Bewährung. Der Würgeangriff sowie die Kopfstöße gegen die Wand nennt er lebensgefährlich.

Der Pflichtverteidiger widerspricht. "Wir haben eine durchgestandene Bewährung", die letzte Tat liege sieben Jahre zurück. Der Verteidiger möchte es bei einer zweijährigen Bewährungsstrafe belassen. Und eben diesem Antrag folgt das Schöffengericht. Als Auflage wird dem Angeklagten eine Psychotherapie verordnet. Zudem muss der 40-Jährige 2400 Euro an die Brücke e.V. zahlen und die Gerichtskosten übernehmen. Vorsitzende Richter Neubeck hielt ihm das Geständnis zugute. Dennoch vermisste er bis zuletzt die Schuldeinsicht des Angeklagten. Das Urteil ist rechtskräftig.

© SZ vom 28.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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