Amtsgericht Dachau:Dreister Diebstahl verblüfft Richter

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Ein 45-Jähriger hilft seinem Neffen, um die Schulden bei ihm zu begleichen - und das auf eine ziemlich unkonventionelle Weise.

Gregor Schiegl

- 1996 verübte er einen Raub, dafür musste er in den Knast. Aber ein Schwerkrimineller ist der 45-jährige Lagerist eher nicht. Jahrelang hing er an der Nadel, immer ging es um "Kleinzeug in Zusammenhang mit Beschaffungskriminalität", wie Richter Lukas Neubeck sagt. Und jetzt sitzt er wieder auf der Anklagebank. Der Vorwurf: schwerer Diebstahl. Eine Überwachungskamera hat ihn gefilmt, wie er im März in den Fahrradkeller des Ignaz-Taschner-Gymnasiums spazierte. Kurze Zeit später kam er wieder heraus mit einem Mountainbike. Das 450 Euro teure Fahrrad war mit einem Kabelschloss gesichert, aber das wurde durchgezwickt. Ein klarer Fall sollte man meinen.

Aber der Angeklagte gibt sich geläutert, er sei völlig clean, habe jetzt wieder einen Job mit Aussicht auf Festanstellung. Jetzt mit der Arbeit trinke er auch nur noch ganz wenig: "unter der Woche zweimal vier bis fünf Bier". Und das Radl, behauptet er, habe er nicht gestohlen. Das sei sein Neffe gewesen. Tatsächlich hat die Kamera ihn auch am Tatort gefilmt - nur eben nicht mit dem Diebesgut. "Ich hatte Schulden bei meinem Neffen, da hab ich ihm halt geholfen, das Radl zu stehlen", erklärt der Angeklagte gut gelaunt. Richter Lukas Neubeck ist konsterniert: "Und Sie meinen so geht das? - Unglaublich." Überprüfen lässt sich die Version des Angeklagten heute kaum mehr. Der Neffe, ebenfalls Junkie, hat sich im Mai den Goldenen Schuss gesetzt. Was aus dem Fahrrad wurde, weiß der Angeklagte angeblich nicht.

Erst vor kurzem wurde er in München verurteilt, nachdem er einige Festplatten aus einem Elektromarkt hatte mitgehen lassen: neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der Fahrraddiebstahl ist gemessen daran eine Lappalie. Vor diesem Hintergrund stellt Richter Lukas Neubeck das Verfahren ein, schärfte dem Angeklagten aber auch ein, dass ein weiteres Delikt unweigerlich zu einer Vollzugsstrafe führe. "Sie sind hinreichend gewarnt."

© SZ vom 13.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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