Dachau:Nicht nur ein Blickwinkel

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Brigitte Fiedler plaudert über Herzöge und Bäckerstöchter. (Foto: Niels Jørgensen)

Brigitte Fiedler verkleidet sich als Bürgersfrau, um Geschichten zu erzählen

Von Christiane Bracht, Dachau

Wenn Dachauer hinaus gehen in die Welt, hören sie oft die ungläubige Frage: "Da kann man leben?" In den Köpfen von Amerikanern, Engländern oder Spaniern ist der Ort eng mit dem Konzentrationslager verbunden. In Deutschland ist das nicht ganz so, aber auch hier sind die Grausamkeiten der Vergangenheit sofort präsent. "Man muss sich damit auseinandersetzen", sagt Brigitte Fiedler. Sie ist Dachauerin mit Leib und Seele und führt bereits seit Ende der Neunzigerjahre Gäste durch die Stadt und die Gedenkstätte. Bei den Führungen ist die zwölf Jahre währende NS-Herrschaft immer ein wichtiger Punkt. Als Makel empfindet sie diesen Teil der Heimatgeschichte nicht: "Wir haben die Verantwortung, aber keine Schuld", sagt sie frei nach Max Mannheimer und ist froh, dass die Stadt, die viele Jahrzehnte versucht hatte, über dieses Kapitel einen Mantel des Schweigens und Vergessens zu breiten, sich nun dazu bekennt und Aufklärungsarbeit leistet.

"Man kann Dachau aber nicht nur aus diesem Blickwinkel sehen: Die Stadt ist vielschichtig. Sie hat eine 1200-jährige Geschichte", sagt Fiedler. Am liebsten erzählt sie diese im Outfit einer Dachauer Bürgerin, die mit Mieder, weitem Rock, Schürze und Korb zum Markt geht. In dieser Rolle fällt es ihr leicht, die vielen kleinen Geschichten, den Dachauer Ratsch, auszuplaudern. Etwa vom Herzog Sigismund, der die Bäckerstochter schwängerte und, als sie nicht mehr so knackig war, einem Bürger ein Grundstück anbot, damit er sie heiratete. Oder von Ludwig Thoma, der einst hier lebte.

Die besondere Schönheit Dachaus lässt sich jedoch am besten im Schlossgarten genießen mit Blick über München bis hin zu den Bergen. "Es ist eine Oase", schwärmt Fiedler. Aber nicht nur die Wittelsbacher Sommerresidenz, auch die Altstadt mit den pittoresken kleinen Gässchen ist bezaubernd. Im Sommer gibt es hier sehr stimmungsvolle Musikveranstaltungen, wie etwa "Jazz in allen Gassen". Und wer in die Dachauer Gemäldegalerie geht, sieht die Werke der Künstlerkolonie, die das Moos malten.

© SZ vom 19.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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