Naturschutz:Wenn die Königin Flugübungen macht

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Petar Denev hat einen Bienenstock entwickelt, der Daten aus seinem Inneren aufs Handy liefert. Das soll der Forschung neue Erkenntnisse liefern - etwa zum Bienensterben.

Von Martina Scherf, München

Schon Albert Einstein soll gewarnt haben: Wenn die Biene von der Erde verschwindet, hat der Mensch noch vier Jahre zu leben. Denn ohne Bienen keine Bestäubung, also auch keine Pflanzen, keine Tiere mehr. Wissenschaftler und Imker sind schon seit längerem alarmiert wegen des Bienensterbens, doch kaum jemand denkt beim Honiggenuss daran.

Dies zu ändern, hat sich Petar Denev vorgenommen. Zusammen mit zwei Freunden hat der Münchner einen smarten Bienenstock entwickelt. Die Idee: Wer einen solchen "Beeographen" erwirbt, erhält nicht nur den eigenen Honig, sondern auch Gesundheitsdaten aus "seinem" Bienenvolk aufs Handy.

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"Es ist doch verrückt, dass alle vom Bienensterben wissen, aber so tun, als ginge es sie nichts an", sagt Denev, 37. Noch sind die Ursachen für den Tod ganzer Völker nicht restlos geklärt - Insektizide und Pestizide spielen eine Rolle, der Rückgang der Blütenvielfalt, die Zunahme der Varroa-Milbe. Tatsache ist aber: In Industrieländern gehen jedes Jahr bis zu einem Drittel der Bienenvölker zugrunde.

Mit ihrem Beeographen wollen die drei Münchner nicht nur das Bewusstsein für das Wohl der Bienen schärfen, sondern auch zur Forschung beitragen. Sie haben einen Prototypen aus nachhaltig produziertem Holz hergestellt, ausgestattet mit Hightech-Sensoren, die Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Gewicht und Geräusche im Bienenstock messen. Die gesammelten Daten werden an einen Server übermittelt, ausgewertet und anschließend auf einer Webseite veröffentlicht und per App den jeweiligen Besitzern vermeldet. Der weiß dann sofort, ob es seinen Bienen gut geht. "So können wir jederzeit die Gesundheit der Tiere, die Menge des Honigs, den sie produzieren, und die Wetterbedingungen am Ort beobachten", sagt Denev.

Die Idee ist nicht ganz neu, an der Würzburger Uni steht seit einigen Jahren ein smarter Bienenstock, der mit Kameras ausgestattet ist und Daten über die Vorgänge in seinem Inneren liefert, die übers Internet frei verfügbar sind ( www.hobos.de). Jürgen Tautz vom Würzburger Biozentrum, einer der führenden Bienenexperten Deutschlands und Pionier auf diesem Gebiet, sagt, es gibt weltweit Nachahmer.

Er freut sich darüber, ist es doch ein Zeichen für das wachsende Bewusstsein für die Bienen. "Eine effiziente globale Vernetzung vieler Stationen und neue Algorithmen, um die Datenflut sinnvoll nutzen zu können, sind dabei die wahren Herausforderungen", sagt Tautz, "ich wünsche den Münchner Gründern daher viel Glück."

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Die ersten Bienenstöcke haben Denev und seine Partner am Ostufer des Starnberger Sees aufgestellt. Es ist ein Testlauf. Weitere sind auf der griechischen Insel Naxos und in Bulgarien geplant. "So haben wir drei verschiedene Umweltbedingungen, am See, in den Bergen und am Meer", sagt Denev. Imker kümmern sich um die Völker. Die Technik stört die Bienen nicht, der Imker muss nicht so oft den Deckel öffnen und nachsehen, wie es ihnen geht.

Noch ist der Beeograph nicht serienreif, die drei wollen über Crowdfunding erst noch mehr Geld eintreiben, um die teure Technik bezahlen zu können. Ihr Traum ist es, mit Patenschaften Bienenstöcke weltweit zu verteilen. Im Laufe der Zeit könnte so eine umfassende Datenbank über die Gesundheit der Bienen unter verschiedenen Umweltbedingungen entstehen. "Je mehr wir über die Aktivität der Bienen wissen, desto mehr erkennen wir eines Tages Zusammenhänge zwischen scheinbar zufälligen Ereignissen", sagt Denev.

Der Bulgare kam vor 15 Jahren zum Deutschlernen nach München, hat Jura studiert und sich inzwischen mit einer IT-Firma selbständig gemacht. Noch in der Studenten-WG lernte er Niko Dichev kennen, der ebenfalls aus Bulgarien stammt, aus einer Familie von Imkern, die seit vier Generationen Bienen züchtet. Vor ein paar Jahren fing Dichev an, auf einem Gartengrundstück am Harras Bienen zu halten.

Dabei kam er auf die Idee, Sensoren in einen Bienenstock einzubauen. Erst betrieben die Naturfreunde ihre Bienenforschung nur für sich, dann entstand die Idee, daraus ein Geschäftsmodell zu machen. Denev hat mit zwei befreundeten Ingenieuren zwei Jahre lang an der Entwicklung des Beeographen getüftelt, die Technik erprobt, Algorithmen berechnet. "Wir wollen erfahren, wie wir den Bienen helfen können, gesund und zufrieden zu bleiben", sagt er.

Im Bienenstock ist es dunkel und warm, "36,5 Grad, wie die Körpertemperatur des Menschen", sagt Denev. Und tatsächlich funktioniert das ganze Volk wie ein komplexer Organismus. Die Arbeitsteilung ist bis ins Detail festgelegt. Wenn es zu eng wird, zieht die Königin aus, um eine neue Wohnung zu suchen. Dann folgt ihr ein paar Stunden später die Hälfte ihres Volkes. "Bevor sie geht, übt sie im Stock das Fliegen", sagt Denev, "das würden wir durch die Geräusche auf dem Smartphone mitkriegen."

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In so einem Fall könnte man, folgert er, wäre man rechtzeitig da, die Königin einfangen und ihr ein neues Zuhause anbieten. In dicht besiedelten und von intensiver Landwirtschaft genutzten Gegenden funktioniert so ein Umzug nicht immer gut. Auch Forscher berichten, dass gerade das Wohlbefinden der Königinnen entscheidend ist für das Überleben eines Volkes.

Einige Kooperationspartner haben sie schon gefunden. Münchner Gastronomen, die Bienenstöcke adoptiert haben, wollen den Honig in ihren Restaurants nutzen und auf das Projekt aufmerksam machen. Ein Unternehmer will Solarzellen zur Verfügung stellen. Und wer selbst eine Patenschaft übernehmen will, kann über www.beeograph.com Kontakt aufnehmen. Dann ist er Hüter einer Bienenfamilie, die er jederzeit besuchen kann, er kann lernen, wie die Technik funktioniert - und beim Honigschleudern helfen, sagt Denev. Und jedesmal besser verstehen, wie das Wohl der Bienen mit dem Wohl des Menschen zusammenhängt.

© SZ vom 20.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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