Bundestagwahl in München:Unerwartete Gewinner - und Verlierer

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Nach eigenem Bekunden der erste Siebenbürger Sachse im Bundestag: der Münchner Rechtsanwalt Bernd Fabritius. (Foto: Robert Haas)

Den Rechtsanwalt Bernd Fabritius hatte keiner auf der Rechnung, nun zieht der CSU-Vertriebenenfunktionär in den Bundestag ein. Auch die Münchner Stadträtin Manuela Olhausen stellt verwundert fest, dass der Listenplatz 42 für ein Mandat in Berlin reichen könnte. Am Ende reicht es doch nicht.

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Sie war auf keine Party gegangen, sondern einfach zu Hause geblieben, den Wahlabend wollte sie sich im Fernsehen anschauen. Daheim auf dem Sofa, mit der kleinen Tochter. Die freue sich schließlich auch, wenn sie die Mama mal sehe, habe sie sich gedacht. Dass die Mama, CSU-Stadträtin Manuela Olhausen, in Zukunft vielleicht sehr viel weniger Zeit für gemeinsame Abende auf dem Sofa haben könnte, und dass dieses Sofa vielleicht bald gar nicht mehr in München, sondern in Berlin stehen könnte - daran hatte Manuela Olhausen selbst zuvor überhaupt keinen Gedanken verschwendet, wie sie sagt.

Doch dann kam der Wahlabend, und mit ihm die plötzliche Erkenntnis, dass der eigentlich als aussichtslos empfundene Listenplatz 42 plötzlich ein aussichtsreicher sein könnte. Ausreichend, um der 42 Jahre alten Kommunikationswissenschaftlerin den Einzug in den Bundestag zu ermöglichen. Für Olhausen blieb der Abend eine Zitterpartie, bis zuletzt. "Zunächst freue ich mich über ein so gutes Ergebnis. Und ob es dann noch für zusätzliche Überraschungen reichen wird, werden wir sehen", hielt sich Olhausen noch bedeckt. Am nächsten Morgen ist klar: Es reicht doch nicht.

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Viel eindeutiger verlief der Abend für einen Münchner Parteifreund, den zuvor vermutlich nur Insider auf der Rechnung hatten: Der Rechtsanwalt Bernd Fabritius hat es über die Liste für die CSU in den Bundestag geschafft. Fabritius wird damit die Vertriebenenlobby in der Union verstärken, er ist der Bundesvorsitzende der Siebenbürger Sachsen und in der Dachorganisation, dem Bund der Vertriebenen, Stellvertreter von Erika Steinbach.

Der 48-Jährige war sich schon während der ersten Hochrechnungen sicher, dass er den Sprung schaffen wird. "Da müsste schon ein Turm umfallen, dass es nicht klappt", sagte Fabritius. Er hatte schon länger ein gutes Gefühl, und zuletzt hatte es sich fast zur Gewissheit verdichtet. "Ich habe es seit letzter Woche geglaubt", sagte er.

1985 nach Deutschland gekommen

Fabritius ist in Rumänien aufgewachsen, die ersten 18 Jahre hat er dort gelebt, noch unter Diktator Nicolae Ceausescu. Erst im Jahr 1985 ist er nach Deutschland gekommen. Dass er jetzt im Bundestag sitzen wird, ist der größte Erfolg für seine Landsmannschaft. "Es ist das erste Mal, dass ein Siebenbürger Sachse im Bundestag sitzt", sagte Fabritius.

Vor allem aber, und darauf legt der Rechtsanwalt großen Wert, sind mit ihm zum ersten Mal die Aussiedler und Spätaussiedler im Parlament vertreten. Etwa 400.000 Siebenbürger Sachsen gibt es in Deutschland, und ebenso wie die fast gleich große Gruppe der Banater Schwaben gehören sie zu den Rumäniendeutschen, von denen sehr viele erst sehr spät in die Bundesrepublik gekommen sind.

"Die Hälfte ist erst nach der Wende zugezogen", sagte Fabritius. Das bedeutet im Sprachduktus der Vertriebenenverbände, dass die "Erlebnisgeneration" dort sehr stark vertreten ist. Anders als in anderen Landsmannschaften, wo die Jüngeren das Leben in der alten Heimat nur aus Erzählungen kennen. "Bei uns ist der Zusammenhalt noch sehr groß", so Fabritius. Und sein Erfolg, so glaubt er, wird das noch verstärken. Für die jungen Leute in seinem Verband sei das ein starkes Signal. "Die sehen, da ist einer von uns dabei."

In den Bundestag einziehen wird auch die SPD-Stadträtin Claudia Tausend, 49, studierte Diplom-Geografin und bisher stellvertretende Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion. Zwar hat sie es wieder nicht als Direktkandidatin in München-Ost geschafft, diesmal hat es aber über die Liste geklappt.

Tausend hat sich geärgert über das Wahlergebnis, bei dem für sie und ihre Partei mehr drin gewesen wäre, wie sie fand. Dennoch lässt sie sich am Abend von den Genossen in der Zentrale am Oberanger umarmen und beglückwünschen. Sie ist also drin. Genauso wie Florian Post, der in München-Nord gegen Johannes Singhammer mit deutlichem Abstand gescheitert ist.

Und wie der Landeschef der bayerischen Grünen, Dieter Janecek. Auch dem war an diesem Abend aufgrund des mäßigen Abschneidens seiner Partei in Bayern wie im Bund wenig zum Jubeln zumute, obwohl er sein persönliches Ziel erreicht hatte. Janecek ist kein Neuling auf der politischen Bühne, er saß bislang im oberbayerischen Bezirkstag, aber er ist neu im Bundestag.

Anders als ein weiteres Münchner Gesicht, Nicole Gohlke von der Linken. Die 38-Jährige war auf Platz drei der Liste platziert und schaffte so den Wiedereinzug ins Parlament.

© SZ vom 23.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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