Bogenhausen:Weg vom Seppl-Hut

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Tradition und Moderne: Immer mehr Kinder und Jugendliche lernen bairische Volksmusik. (Foto: Volkskultur & Musikschule)

Facebook, Kundenkarte, Mittagbetreuung, neues Logo: Die"Wastl-Fanderl-Schule" in Bogenhausen geht neue Wege, um die bairische Volksmusik mehr in den Mittelpunkt zu rücken

Von Johannes Hirschlach, Bogenhausen

Volksmusik steht in den Köpfen vieler Menschen für Florian Silbereisen in Lederhose, Hansi Hinterseer mit wallender Mähne oder auch den "Volks-Rock'n'Roller" Andreas Gabalier. Musiker mit verträumten und zünftigen Melodien, bei denen sich ein Gefühl von Tradition und Lokalkolorit einstellt. Doch das stimmt so nicht, sagt Moritz Demer. Zwischen der sogenannten volkstümlichen Musik eines Andreas Gabalier und der traditionellen Volksmusik zieht der Leiter der Münchner Schule für Bairische Musik, der "Wastl-Fanderl-Schule", eine klare Linie. "Das ist ein krasser Unterschied", sagt der 35-Jährige, für den Laien sei das oft schwer zu unterscheiden. Für ihn ist es klar: Volksmusik repräsentiert gewissermaßen die wahre Tradition - Lieder, Melodien, dazugehörige Tänze, die häufig seit Jahrhunderten Generation für Generation weitergegeben worden sind. Die volkstümliche Musik dagegen ist eine relativ moderne Entwicklung, sie nimmt lediglich Anleihen an der Volksmusik, indem sie zum Beispiel deren Instrumentierung übernimmt.

Doch während Interpreten volkstümlicher Musik mit ihren Konzerten ganze Stadien füllen, führt die Volksmusik inzwischen ein eher mittelprächtiges Dasein in der Musikbranche. Nach einer Zusammenstellung des Deutschen Musikinformationszentrums aus dem Jahr 2015, die auf repräsentativen Daten der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse beruht, gaben nur rund 25 Prozent der Befragten Volksmusik als bevorzugte Musikrichtung an; nur Techno/House-Musik und Heavy Metal schnitten noch schlechter ab.

Zuletzt strich der Radio-Sender "Bayern 1" die traditionellen Volksmusik-Sendungen aus dem Programm. Und Wolfgang Greth vom Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen kann zwar keine Abwärtstendenz der Volksmusikkurse an den Musikschulen im Freistaat feststellen, beklagt aber die Stagnation.

Dagegen lässt das, was Moritz Demer vermelden kann, aufhorchen: In den vergangenen acht Jahren habe sich die Schülerzahl an der Münchner Schule für Bairische Musik auf 500 pro Schuljahr verdoppelt. Seit 1971 existiert die Einrichtung, sie ist die einzige Musikschule mit dieser Spezialisierung. Damit ergänzt sie sich mit der Städtischen Sing- und Musikschule, deren Angebot nahezu volksmusikfrei ist. Beliebt sei vor allem der Unterricht für Blasinstrumente und Harfe, sagt Demer. Besonders gefragt sei jedoch die steirische Harmonika - "weil's einfach cool ist".

Wenn der Leiter den Erfolg der Schule erklären soll, nennt er ein wenig amüsiert ein einziges Wort: "Marketing". Seit den sechs Jahren, die Moritz Demer an der Spitze steht, verfolgt er einen Modernisierungskurs, um Volkstanz, -musik und -kultur dem Zeitgeist anzupassen: "Man muss zeigen, dass man nicht der mit dem Seppl-Hut ist, sondern etwas Gehaltvolles bietet, bei dem auch Kinder Spaß haben." Diplomatisch, aber entschieden will er den Namen der Schule nach außen tragen.

Und damit hat die Einrichtung erst kürzlich begonnen. Mit neuem Logo, neuem Namenskonzept und neuen Medien will Demer mehr Bewusstsein dafür schaffen, "was in unserem Haus verpackt ist". Das sind neben dem Musikunterricht auch traditionelle Tanzstunden, Unterricht auf Instrumenten der Klassik sowie kulturelle Veranstaltungen. Dabei bedient sich die Schule für Bairische Musik moderner Marketingstrategien: Die Homepage wurde überarbeitet, das Logo der Schule - die ganze Note - ist überall zu entdecken.

Die Dachmarke für alle Programme der Schule heißt inzwischen schlicht "Volkskultur und Musikschule" - Corporate Identity nennt das der Werbefachmann. Zudem ist man, im Gegensatz zur Städtischen Sing- und Musikschule, auf Facebook vertreten. Dort verzichtet man bewusst auf den Einsatz sozialer Medien, heißt es. Social Media sei arbeitsaufwendig, das Personal würde man "lieber für den Unterricht der Kinder und Jugendlichen einsetzen", so die Begründung.

Demer hingegen rückt das Netzwerken mit den Kunden, aber auch mit Organisationen und Unternehmen in den Fokus. Noch für das Jahr 2017 plant die Schule die Einführung einer Kundenkarte, mit der Schüler, Mitglieder und Seminarteilnehmer Rabatte sammeln, die auch an anderer Stelle geltend gemacht werden können. Dass dieses Konzept Früchte trägt, imponiert auch Wolfgang Greth vom Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen: "Die Wastl-Fanderl-Schule ist sicherlich ein Vorreiter."

Für die Zukunft hat Moritz Demer bereits weitere Pläne: So soll dem Stadtteil Bogenhausen eine prägnantere Rolle zukommen. Seit Ende der Siebzigerjahre ist die Schule an der Mauerkircherstraße untergebracht, doch hat er das Gefühl, dass die Einrichtung dort noch immer nicht recht wahrgenommen wird: "Ich denke, dass wir zu sehr mit uns selbst beschäftigt waren." Jetzt will man eine Mittagsbetreuung einrichten und als Dienstleister junge Familien aus dem unmittelbaren Umfeld ansprechen.

Und auch in der Tanzabteilung möchte Demer weniger traditionalistische, sondern mehr dem Zeitgeist angepasste Programme sehen: So kann er sich eine Verknüpfung von Tango und Volkstanz vorstellen. Letztlich sei beim Ausprobieren neuer Wege nur eines wichtig, zitiert Moritz Demer eine bewährte Marketing-Weisheit: "Wie verkauft man's den Leuten?"

© SZ vom 03.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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