Bogenhausen:Tag-Träume

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Mit Hilfe des Instituts für Medienpädagogik sammeln Schüler Ideen zum neuen Stadtviertel im Münchner Nordosten

Von Magdalena Dziajlo, Bogenhausen

Krankenhausgänge, deren Böden wie Trampoline federn, über die Patienten und Ärzte von Zimmer zu Zimmer und von Behandlung zu Behandlung hüpfen. Ein öffentlicher Schokoladenbrunnen, der nie versiegt, und ein Einkaufszentrum, durch das der Einkaufswagen seinem Kunden unauffällig folgt - ohne lästiges Schieben - und in dem die Besucher auf Aquarien laufen. So stellen sich die Schüler der Klassen 8 a und 8 b der Mittelschule an der Knappertsbuschstraße das neue Stadtviertel zwischen Johanneskirchen und Riem vor. Und so beschreiben sie es in ihren Audioguides.

Sebastian Ring und Annabelle Jüppner vom Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in München leiten das Projekt "Plan Nord Ost". Mit Schülern der an das Planungsgebiet angrenzenden Schulen haben sie an Ideen für das neue Stadtviertel mit unterschiedlichen Methoden mitgeplant. Ihre ungewöhnlichen, aber zum Teil auch realisierbaren Konzepte und Ideen präsentierten die Schüler der Rudolf-Steiner-Schule, der Mittelschule an der Knappertsbuschstraße und des Gymnasiums Trudering am Freitag bei einer Jugendtagung den verantwortlichen Stadtplanern und Kommunalpolitikern.

Mit digitalem Werkzeug arbeiten die Schüler an ihren Wünschen für den neuen Stadtteil. (Foto: Stephan Rumpf)

Konkret geht es um die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Münchner Nordosten. Nach wie vor stehen drei mögliche Varianten zur Diskussion. Wie sich das rund 600 Hektar große Gebiet der Stadt östlich der Gleise der S 8 entwickeln soll, ist noch immer unklar. Anfang April ist die Öffentlichkeitsphase beendet, dann wertet das Referat für Stadtplanung und Bauordnung die Ergebnisse der zahlreichen Workshops aus.

Thomas Kupser vom Institut für Medienpädagogik hat die Audioguides mit den Jugendlichen erstellt. Sie beschreiben dabei, wie das Stadtviertel im Jahr 2040 nach ihren Wünschen aussehen könnte. "Es war ziemlich schwierig, da wir keine GPS-Daten von dem Areal haben. Die Schüler haben deshalb aus Sicht eines Achtklässlers, der seit ein paar Jahren in dem Viertel lebt, beschrieben, was sie links und rechts sehen, wenn sie über das Gelände gehen", erklärt Thomas Kupser die Methodik. Dabei orientierten sie sich an dem Siedlungs-Modell "Küstenlinie", das sich als Favorit der Jugendlichen herauskristallisierte.

Neben vielen verrückten Ideen - wie Gokarts statt MVV-Fahrrädern oder einem Fahrverbot für private Autos, außer an Sonntagen - gingen durchaus auch realistischere Anregungen zur Stadtplanung aus den Workshops hervor. Besonders am Herzen liegt den Jugendlichen ein sicheres und gutes Miteinander. "Eine Moschee hielten alle für ein Muss. Direkt daneben wollen die Jugendlichen aber auch eine normale Kirche und eine Synagoge - alles an einem Ort", sagt Kupser.

Ideenreich: Schüler sammeln Ideen für das neue Stadtviertel. (Foto: Stephan Rumpf)

In einer anderen Digitalwerkstatt haben die Schüler des Gymnasiums Trudering mit "Minecraft" gearbeitet. Was viele als Computerspiel kennen, eignet sich gut, um der gestalterischen Kreativität freien Lauf zu lassen. Mit einfachen Blöcken bauen die Spieler virtuell Häuser - oder eben ganze Stadtviertel. Konkret: ein Schwimmbad, eine Air-Hop-Halle, einen Park und ein Wohnviertel. Aus allen Präsentationen der verschiedenen Arbeitsgruppen ging hervor, dass sich die Jugendlichen vor allem eines wünschen: Orte, an denen sie unter sich sind und einfach sie selbst sein dürfen.

Das zeigte auch die Auswertung der Fragebögen, die Schüler der Klasse 12 b an der Rudolf-Steiner-Schule Daglfing in einer Forschungs- und Diskurswerkstatt erstellt haben. Etwa 70 Prozent der Befragten wünschen sich ein Jugendzentrum in ihrem neuen Stadtviertel. Des Weiteren sei das Interesse an einer sogenannten Talkbox in den Riem-Arcaden bei vielen sehr groß gewesen, sagt Annabelle Jüppner. Hier brachten sich nicht nur die Schüler der teilnehmenden Schulen ein. In einer Ecke mit Sesseln und einem Mikrofon hatten junge Passanten die Gelegenheit, ihre Anregungen und Wünsche zum geplanten Stadtviertel zu äußern.

Ob ein Jugendtreff, Cafés oder ein Ort, an dem sie legal Graffiti sprühen dürfen - die Ansprüche der jungen Leute decken sich nicht immer mit denen der Erwachsenen. Durch das Projekt des Medieninstituts bekommen sie jetzt eine Stimme. Bei der Jugendtagung versprachen die Stadträte Anja Burkhardt (CSU), Jutta Koller (Grüne), Bettina Messinger (SPD) und Steffen Kercher, Baudirektor im Referat für Stadtplanung und Bauordnung, mit den Ergebnissen weiterhin zu arbeiten und diese in den Planungsprozess einzubeziehen.

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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