Bogenhausen:Schätze und Ruinen

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Nach dem Krieg pachtete ein russischer General die Ruine und versteckte dort die Reste eines Schatzes aus St. Petersburg. (Foto: Stadtarchiv München)

Kalender zeigt markante Gebäude in Bogenhausen

Die steinerne Frauengestalt hockt auf dem Boden, ihren abgeschlagenen Kopf trägt sie auf dem Schoß, den Blick auf die Zerstörung rundum gerichtet. Die Ruine einer Villa mit aufgerissenem Dachstuhl ist im Hintergrund zu sehen, daneben Bäume, denen der Fliegerangriff vom 2./3. Oktober 1943 Laub und Äste geraubt hat. Das alte Foto zeigt die Villa an der Pienzenauerstraße 30 oder das, was von ihr nach dem Luftangriff übrig war.

Die Historikerin Karin Bernst präsentiert das Bild in ihrem Kalender "Ein Spaziergang durch den Münchner Nordosten" für 2016, den der Verein Nordostkultur herausgibt. Fotos und Aquarelle zeigen markante Gebäude aus dem 13. Stadtbezirk, die Texte erzählen die zugehörigen Anekdoten. Etwa die des Fahrdienstleiters Friedrich Haag, der am Bahnhof Daglfing arbeitete und 1936 aus dem abbruchreifen Bahnwärterhaus Zamdorf ausziehen musste. Die Familie kam in einer Baracke an der Thomaßstraße unter, wo sie vier Jahre später immer noch wohnte - schon damals war der Münchner Wohnungsmarkt für Geringverdiener schwierig.

Mit solchen Problemen mussten sich die Herrschaften aus der Pienzenauerstraße sicher nicht herumschlagen, Ärger hatten sie trotzdem. Die Villa, 1910 errichtet, ging durch mehrere Hände. 1939 kaufte Fabrikbesitzer Walter Zeiss das Anwesen, vier Jahre später lag es in Trümmern. Seine Erben bemühten sich nach dem Krieg um Instandsetzung, mussten sich aber "mit den wild dort eingenisteten Russen" herumschlagen, wie sie sich bei der Stadt beklagten.

Gepachtet hatte das Haus Peter von Glasenapp, letzter Kommandeur der Kaiserlich-Russischen und der antisowjetischen Nordwest-Armeen. Er bewachte in der Villa die Reste eines legendären Schatzes: Sein Oberbefehlshaber General Wrangel hatte 1920 die Bestände des Petersburger Leihamtes aus Russland herausgeschafft. Adelige, die ihre Wertsachen diebes- und feuersicher im Leihamt aufbewahrt hatten, konnten sie bei Wrangel gegen die Pfandscheine auslösen. Den Rest an Silber und Ikonen brachten russische Emigranten 1945 in das halbverfallene Münchner Haus, mehrere Diebstahlversuche scheiterten. 1961 wurde die Villa abgerissen, heute steht dort ein Mehrfamilienhaus.

Der Kalender ist am Wochenende, 28. und 29. November, bei den Adventsbasaren von St. Lorenz, Muspillistraße 30, und der Vaterunserkirche, Fritz-Meyer-Weg 9-11, erhältlich.

© SZ vom 26.11.2015 / ust - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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