Bogenhausen:Ringen um jeden Platz

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Bei zwei Verschenk-Flohmärkten im Sommer konnten sich die Bewohner der Unterkunft an der Richard-Strauss-Straße mit Kleidung und Zubehör eindecken. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Sozialreferat bringt im Siemens-Bürokomplex in Bogenhausen vorübergehend 800 Flüchtlinge unter. Der Bezirksausschuss fordert eine Obergrenze für die Belegung und ein Betreuungskonzept

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Die Notunterkunft für Flüchtlinge im ehemaligen Siemens-Komplex an der Richard-Strauss-Straße in Bogenhausen wird von Mitte Januar an für sechs Wochen von 500 auf 800 Plätze aufgestockt. Der Bezirksausschuss (BA) reagierte auf diese Entscheidung des Sozialreferats mit verhaltener Skepsis. In einer Sondersitzung am Tag vor Heiligabend forderten die Stadtviertelvertreter zum einen eine verbindliche Zusage, dass die Aufstockung tatsächlich zeitlich befristet wird. Zum anderen verlangten sie ein schlüssiges Konzept für die Betreuung der 480 Asylbewerber, die bereits jetzt in der Unterkunft leben. Erst dann könne man einer weiteren Belegung zustimmen.

In den sechs Bürohäusern an der Richard-Strauss-Straße war bis Oktober 2014 die Siemens-Vertriebsabteilung für den Raum Südbayern untergebracht. Als deren 800 Mitarbeiter nach Neuperlach Süd umzogen, stand der 30 000 Quadratmeter große Komplex leer. Deswegen schlug der Siemens-Betriebsrat Anfang November 2014 vor, den Standort für eine Asylbewerberunterkunft zu nutzen. Die Konzern-Leitung griff die Idee auf und vermietete der Stadt die Anlage bis 30. Juni 2016. Bis dahin soll für die Immobilie ein Käufer gefunden sein.

Im Juni zogen die ersten Flüchtlinge ein, Ende Juli waren die zunächst knapp 200 Plätze noch nicht voll belegt: 155 Menschen lebten in einem der Gebäude auf drei Etagen. Die Stadt hatte schon kurz nach dem Start einen Aufnahmestopp verhängen müssen: Zuerst waren die Windpocken ausgebrochen, dann die Masern.

Aber schon im März hatte es erste Überlegungen gegeben, die Belegungszahlen an der Richard-Strauss-Straße zu verdoppeln. Wenig später verwarf das Sozialreferat diese Idee wieder, ehe die Zahl der Plätze im September dann auf 500 aufgestockt wurde. Die jüngste Entscheidung sieht vor, am 18. Januar 2016 zunächst 150 weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Wenn klar ist, dass die Versorgung klappt, sollen Anfang Februar noch einmal 150 Menschen an der Richard-Strauss-Straße unterkommen. Bereits Ende Februar allerdings wird wieder abgebaut: Dann sinkt die Zahl wieder auf 500 Plätze.

Dass die Behörde für den kurzen Zeitraum von sechs Wochen den Aufwand betreibt, ein Bürohaus zur Unterkunft umzurüsten, begründete Fabian Riedl von der Öffentlichkeitsarbeit im Stab Flüchtlinge mit der hohen Zahl an Asylbewerbern. Anfang 2015 sei man von 200 000 Flüchtlingen in ganz Deutschland ausgegangen, inzwischen seien es eine Million. München müsse nach dem Verteilungsschlüssel 15 000 Menschen unterbringen. "Wir ringen um jeden Platz", sagte Riedl, versicherte aber vehement, dass die Aufstockung an der Richard-Strauss-Straße dennoch zeitlich begrenzt sein werde. Darauf pochte die CSU in ihrem Antrag, den der BA einstimmig annahm. Außerdem forderte sie, dass nach einem möglichen Verkauf des Geländes auch der neue Eigentümer nicht mehr als 500 Flüchtlinge dort unterbringen dürfe. Den Stadtviertelvertretern geht es da auch um die Glaubwürdigkeit von Politik und Verwaltung, wie Robert Brannekämper (CSU) sagte. "Die Halbwertszeit städtischer Zusagen" sei "extrem kurz", heißt es in dem Antrag. Dies könne "Akzeptanz und Verständnis" der Bevölkerung gefährden.

Der Antrag der SPD wiederum, der ebenfalls ohne Gegenstimme beschlossen wurde, nahm die Probleme ins Visier, die schon bei der gegenwärtigen Belegung mit 480 Menschen in der Unterkunft existieren. Für die Kinderbetreuung etwa gibt es trotz all der Gebäude keinen geeigneten Raum, weil dafür eine zweite Fluchttüre notwendig ist. Jetzt ist ein Zimmer gefunden, der Einbau der Tür aber verzögert sich schon seit mehren Wochen. "Das ist ein untragbarer Zustand", sagte Wolfgang Helbig (SPD). "Das kann man doch jetzt nicht mit 800 Leuten fortsetzen."

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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