Bogenhausen:Dicke Luft

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Kein Ende in Sicht: Immer mehr Flüchtlinge und ihre Kinder brauchen Platz. (Foto: Lukas Barth)

In Bogenhausen nehmen der Parteien-Zwist und die Anwohnersorgen angesichts der Flüchtlingsproblematik kein Ende

Von Franziska Gerlach, Bogenhausen

Und plötzlich waren ganz viele Emotionen im Raum: Zwar dauerte der Schlagabtausch zwischen Grünen und CSU nur einen kurzen Augenblick, doch diese Minuten bescherten einer an sich unspektakulären Sitzung des Bezirksausschusses (BA) Bogenhausen einige Kunstgriffe aus dem rhetorischen Repertoire eines Kommunalpolitikers. Holger Machatschek stellte christlich-soziale Werte in Frage: "Ich befürchte eher, Sie wollen den Schimmelweg vor den Flüchtlingen schützen", sagte der Fraktionssprecher der Grünen in Richtung CSU. Das wollte deren Sprecher so nicht stehen lassen: "Das ist an Polemik nicht zu übertreffen", sagte Xaver Finkenzeller und ließ eine Aufzählung dessen folgen, wie christlich sich seine Fraktion in dieser Angelegenheit verhalte. So sei es zum Beispiel christlich, eine Alternative anzubieten, die schneller bezugsfertig sei als die am Schimmelweg.

Es ging ein weiteres Mal um die für den Stadtbezirk geplanten Flüchtlingsunterkünfte. Wie sehr dieses Thema die Gemüter in Bogenhausen bewegt, hatte sich schon einige Tage zuvor gezeigt, als ein Vertreter des Referates für Wohnen und Migration die Mitglieder des Unterausschusses Planung und Soziales sowie Bürger über die Planungen informierte. Zu große Bauten, zu viele Flüchtlinge, zu wenig Betreuung - und überhaupt sei das Ganze eine Hau-Ruck-Aktion der Stadt. So lassen sich die Bedenken der Anwohner in aller Kürze darstellen. Und darum geht es: An der Max-Pröbstl-Straße soll bis zum Herbst eine Unterkunft mit 300 Betten entstehen, am Schimmelweg in Daglfing ist ein Holzständerbau mit 200 Betten geplant.

In der jüngsten BA-Sitzung hatte die CSU-Fraktion nun gleich zwei Anträge - letztlich sogar erfolgreich - zur Abstimmung gestellt. Erstens: Als Alternative zum Standort Schimmelweg soll ein Grundstück an der Riemer Straße 200 überprüft werden. Rechtsanwalt Benno Ziegler war eigens in die Sitzung gekommen, um die Bereitschaft des Grundstückbesitzers Thomas Gebert zu untermauern, dort eine Gemeinschaftsunterkunft für 200 Personen zu errichten, die er der Regierung von Oberbayern als Träger der Unterkunft vermieten würde: "Wenn die Behörden zügig arbeiten, könnten die Unterkunft noch in diesem Jahr eröffnen." Zugleich berichtete der Anwalt dem Gremium von den Vorbehalten, die die Stadtverwaltung vorgebracht habe: Der Standort befinde sich nicht nur "im Außenbereich", sondern auch zu nahe an der A 94. Ziegler kann das nicht nachvollziehen: "800 Meter weiter gibt es ein Vier-Sterne-Hotel, das nur 20 Meter von der Autobahn entfernt liegt." Der zweite CSU-Antrag betrifft die Unterkunft an der Max-Pröbstl-Straße. Diese sei nicht als Containeranlage zu planen, sondern in Modularbauweise, auch soll der Bau ein Stück nach Süden verlegt werden. Zudem ist die Zahl der Flüchtlinge von mehr als 400 auf maximal 300 zu reduzieren, inklusive jener, die in der dort bereits bestehenden Einrichtung leben.

Weniger Flüchtlinge wünschen sich auch die Anwohner des Schimmelwegs. Zwar konnte über den Antrag nicht abgestimmt werden, da er nicht rechtzeitig eingereicht wurde. Susanne T. und Ingo B. durften aber dennoch ans Mikrofon, um ihre Forderungen vorzutragen. Die Stadt solle die Unterkunft von geplanten 200 auf 50 bis 60 Plätze verkleinern, so T., bevorzugt sollten dort "schutzbedürftige Personen und Familien" unterkommen. Zudem sei eine Fläche anzulegen, die Einheimischen und Flüchtlingen als Begegnungsstätte dient - mit Lagerfeuerplatz, Bänken, Basketballkorb, auch ein Blumenbeet oder eine Tischtennisplatte wären denkbar. "Die Antragsteller sagen im Gegenzug zu, dass sie die Integration im Rahmen ihrer zeitlichen Möglichkeiten aktiv und ehrenamtlich unterstützen werden." Man wäre stolz, im Schimmelweg ein "Pilotprojekt integrative Flüchtlingsarbeit" zu begleiten, so T.

Wie realistisch diese Vorstellungen angesichts stetig steigender Flüchtlingszahlen sind, sei dahin gestellt. Sie offenbaren aber eines: Die Bürger möchten in die Planungen einbezogen werden. Die BA-Vorsitzende Angelika Pilz-Strasser (Grüne) zeigte Verständnis für Ängste jedweder Art: "Tatsache ist aber, dass wir die vielen Menschen, denen es im Leben nicht gut gegangen ist, in unser Stadtviertel willkommen heißen sollen." Insbesondere die sozialpädagogische Betreuung ist ihr Anliegen: "Ich fürchte, dass die Stadt München das zu leicht nimmt und zu wenig Geld investiert." Die Grünen fordern für die Max-Pröbstl-Straße eine sozialpädagogische Betreuung mit einem Schlüssel von maximal 1:100, die neue Unterkunft solle mit der bereits bestehenden zusammengelegt und gemeinsam verwaltet werden. Familien und Einzelpersonen sollen dort miteinander leben.

Die SPD könnte sich mit einer Unterkunft an der Riemer Straße anfreunden, sagte Fraktionssprecherin Karin Vetterle: "Es muss nicht zwingend ein alternativer Standort sein, vielleicht wird es ja ein zusätzlicher."

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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