Zukunft des TSV 1860 München:Alles bleibt anders

Sind die Löwen jetzt reich? Wird bald Bastian Schweinsteiger verpflichtet? Beim TSV 1860 München ist ein arabischer Geschäftsmann eingestiegen. Ein neues Kapitel des Traditionsvereins beginnt - das wirft viele Fragen auf: die wichtigsten Antworten.

Gerald Kleffmann

Am Montag wurde das Geschäft beschlossen. Der Fußball-Zweitligist TSV 1860 München tritt 49 Prozent der Anteile an seiner GmbH & Co. KGaA an Hasan Ismaik ab; das ist die Profi-Fußballabteilung der Löwen. Der Investor ist der erste Geldgeber aus dem arabischen Raum, der sich im deutschen Profifußball engagiert. Wichtiger noch für den TSV: Mit den 18,4Millionen Euro, die Ismaik zahlt, hat er die drohende Insolvenz abgewendet. Nun muss am Montag nur noch die Deutsche Fußball-Liga die Lizenz erteilen, wovon alle Beteiligten ausgehen - dann beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte des Traditionsvereins. Da stellen sich viele Fragen. Die SZ sucht nach ersten Antworten.

Hasan Ismaik, TSV 1860 München, Fußball

Wer ist dieser Mann? Hassan Ismaik bei einem Spiel des TSV 1860 München.

(Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Wer ist Hasan Ismaik eigentlich?

Hasan Ismaik ist kein Scheich. Viele dachten anfangs, er sei jemand wie Mansour bin Zayed Al Nahyan, der im großen Stil bei Manchester City eingestiegen ist. Aber das ist falsch. Der 34-jährige gebürtige Jordanier ist ein Geschäftsmann, der offenkundig florierende Geschäfte bei Bauträgern, Ölfirmen und Beteiligungsgeschäften in Abu Dhabi, Riyad, Dubai, New York, London, Amman und Damaskus betreibt. Zwischen diesen Orten pendelt er hauptsächlich hin und her. Hasan Abdullah Mohamed, wie sich Ismaik als Chairman seiner Firmengruppe auch nennt, hat seinen Hauptwohnsitz in Abu Dhabi und ist Vater von drei Töchtern.

Warum gibt er ausgerechnet 1860 Geld?

Ismaik möchte als Geschäftsmann eine Basis im Wirtschaftsland Deutschland haben. Und er mag Fußball. Da es in Deutschland die 50+1-Regel gibt, die Profiklubs vor der Machtübernahme Dritter schützen soll, hat Ismaik in anderen Ländern nach Klubs gesucht, an denen er sich beteiligen könnte. Als er über Hamada Iraki, der bei einer Münchner Bank als Manager arbeitet und mit dem er befreundet ist, von der Notlage des TSV erfuhr, nahm er Kontakt zu 1860 auf.

Wird es Ismaik eines Tages bereuen, bei 1860 eingestiegen zu sein?

Wohl kaum. Bei seinem ersten Besuch in München im April hat er verraten, dass jene Millionen, die er investiert, nicht so viel Geld für ihn seien. Gleichwohl wolle er nichts verlieren, hat er betont. Zum Vergleich: Der Scheich in Manchester ist mit einer dreistelligen Millionensumme vorstellig geworden. Günstig ist der Zeitpunkt des Einstiegs. Die Anteile waren aufgrund der Notlage des TSV preiswert, und sollte dieser aufsteigen, wären sie schnell mehr wert. Zudem erfreut Ismaik ein weiterer Aspekt: Er liebt München als Stadt, wie viele Araber. In seiner Heimat wird die neue Dependance gut ankommen und seine Reputation steigern.

Ist der TSV 1860 jetzt reich?

Wird es 1860 eines Tages bereuen, dass nun ein Investor mitmischt?

1860 Muenchen v Energie Cottbus - 2. Bundesliga

Wie werden die Fans auf den Einstieg des Investors reagieren? Die Zukunft des TSV 1860 München ist in vielen Punkten noch ungewiss.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Für 1860 war der Einstieg des Investors der einzige Weg, als Profiklub zu überleben. Vor allem bei den Fans wird viel Überzeugungsarbeit notwendig sein, um zu widerlegen, dass der Verein fremdgesteuert sei. Wie das Kapitel eines Tages gesehen wird, entscheidet wohl der Erfolg. Steigt 1860 in absehbarer Zeit auf, wird gejubelt. Bleibt 1860 sportlich eine graue Maus, haben die Kritiker ihre Argumente.

Wer hat die Macht bei Sechzig inne?

Ismaik wird der neue starke Mann sein. Keine Entscheidung von Belang wird an ihm oder seinem verlängerten Arm in München vorbeigehen. Bald schon wird Ismaik einen Finanzgeschäftsführer präsentieren, der im Hintergrund agieren soll. Aufgrund der 50+1-Regel muss Ismaik alles in enger Absprache mit den Vertretern von 1860 tun. Zwar wäre er gerne Mehrheitseigentümer - das kann er aber nicht werden, so lange besagte Regel besteht. Die Löwen entscheiden in jedem Fall also mit. Da das Ganze ein Novum im deutschen Fußball ist, schaut ohnehin die Branche zu. Sie betrachtet 1860 als Experiment.

Ist der TSV 1860 jetzt reich?

Nein. Aber verglichen mit dem Kontostand vor Ismaiks Einstieg geht es 1860 sagenhaft gut. Auf fünf bis sechs Millionen Euro belaufen sich noch die Altlasten nach dem Teilforderungsverzicht der Gläubiger, die dank Ismaiks Geld ausbezahlt werden können. Dann ist 1860 tatsächlich schuldenfrei, abgesehen von laufenden Verpflichtungen. Ismaik hat gesagt, sukzessive weiteres Geld zu investieren, um die Mannschaft zu verstärken. Aber in Geld schwimmt 1860 dennoch nicht. Es gilt, sich jetzt zu konsolidieren.

Wird demnächst Bastian Schweinsteiger verpflichtet?

Erhält der FC Bayern auch sein Geld zurück?

Ja, allerdings ist nicht bekannt, wie viel der ursprünglich 2,1 Millionen Euro an Schulden für Miete und Catering im Stadion zurückgezahlt werden. Jeder Gläubiger musste ja auf einen Teil seiner Forderungen verzichtet, sonst wäre die Rettung gescheitert. Der FC Bayern hat sicher mitgemacht, in welchem Ausmaß, ist unbekannt.

Wird demnächst Bastian Schweinsteiger verpflichtet?

Nein. Erstens ist Schweinsteiger sicher nicht gewillt, zu den Blauen zu wechseln. Zweitens plant Ismaik, wohl erst im Winter verstärkt in die Mannschaft zu investieren. Aber wer weiß, vielleicht kommt er früher auf den Geschmack und spendiert ein, zwei Spieler zur neuen Saison. Bis auf weiteres plant man bei 1860 mit einem Etat von rund 6,5 Millionen Euro, was im Mittelfeld der zweiten Liga liegt.

Wird die Vereinshymne "Stark wie noch nie" ins Arabische übersetzt"?

Kann sein, kann nicht sein. Da hierzulande bisher keine Erfahrungswerte mit arabischen Investoren im Profifußball vorliegen, muss man abwarten.

Werden die Vereinsfarben jetzt arabisch grün-weiß?

Garantiert nicht. Genauso wenig wird der Löwe im Wappen des TSV verschwinden und durch ein Kamel oder einen Falken ersetzt werden. 1860-Präsident Dieter Schneider hat betont, dass Ismaik wisse, wie viel Tradition und Identität den Löwen-Anhängern bedeuten.

Wo finden künftig die Trainingslager statt?

Die nächsten sind bereits gebucht: kommende Woche in Bad Wörishofen, Ende Juni in Maria Taferl in Niederösterreich. Im Winter aber ist es durchaus möglich, dass die Löwen zum Beispiel in Abu Dhabi trainieren. Dort könnten sie Freundschaftsspiele austragen und Werbung machen. Die Vermarktung der Löwen ist Ismaik ein besonderes Anliegen. Im letzten Winter fiel übrigens das Trainingslager bei 1860 aus. Weil kein Geld da war.

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