Bewertungsportale:Wie Yelp seine Autoren motiviert

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Internetportal 'Yelp' mit Gaststätten-Testern , Veranstaltung Barista Event im Cafe 'Vits' als geschenk für besonders aktive Tester, 12.April 2013, Foto : C : Stephan Rumpf (Foto: Stephan Rumpf)

Ist wirklich schlecht, was schlecht bewertet wurde? Die Autoren von Portalen wie Qype oder Yelp haben oft einen großen Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen ein Restaurant. Um sie bei Laune zu halten, laden die Internet-Firmen sie zu Seminaren ein. Zu Besuch bei einem speziellen Workshop.

Von Franziska Gerlach

Erstaunlich, was man mit Milchschaum alles anstellen kann. Der Barista der Kaffeerösterei Vits zaubert daraus nicht nur das obligatorische Cappuccino-Herz. Als er, umkreist von einem Dutzend Zuschauern, den Espresso mit der Spitze seines Kännchens durch die Milch zieht, entstehen außerdem ein Elefant und etwas, das an ein Kleeblatt erinnert. Die Gruppe ist aus dem Häuschen, lachend tippt sich ein Mann an die Brust. Der Sticker auf seinem Hemd zeigt dasselbe Motiv. Es ist das Logo des Online-Bewertungsportals Yelp, die Leute hier sind sogenannte Elite-Yelper.

Mit einem Kaffee-Workshop werden sie dafür belohnt, dass sie auf der Seite nicht nur auffallend viele, sondern auch auffallend hochwertige Rezensionen zu Restaurants, Einzelhändlern oder Dienstleistungsangeboten geschrieben haben. Sie sind der Trumpf von Yelp, ihre Beiträge sollen Besucher auf die Internetseite locken.

Die Lust am Schreiben und Bewerten im Netz scheint ungebrochen zu sein. Wie auch immer ihr Urteil ausfällt: Online-Autoren tragen dazu bei, dass sich andere Konsumenten eine Meinung bilden. Sie tun das in ihrer Freizeit und unentgeltlich. Hierzulande haben sie sich bislang vorrangig auf Qype ausgetauscht, in jüngster Zeit betätigen sich auch immer mehr Münchner auf Yelp. Denn im Oktober hat das amerikanische Unternehmen das deutsche Bewertungsportal Qype für fast 50 Millionen US-Dollar gekauft - und damit einen entscheidenden Vorstoß auf den hiesigen Markt unternommen. Derzeit arbeiten Programmierer daran, die beiden Seiten zusammenzulegen.

Qype wird auf kurz oder lang verschwinden, wann genau, teilt die Firma nicht mit. Aber frühestens im Herbst soll es so weit sein. Doch schon jetzt wird so einiges getan, um aus einstigen Qypern in Zukunft Yelper zu machen: In München hat das Unternehmen bereits eine Party zur Zusammenführung gegeben; bevor die Qype-Beiträge schlussendlich auf Yelp übertragen werden, will man die Autoren informieren. Und bei Laune halten.

Dafür gibt es auch die Community Manager, also Kommunikationsexperten, die Yelp in deutschen Großstädten einsetzt, um sie dazu zu animieren, auf der Plattform aktiv zu sein. In München übernimmt Verena Schmunk seit dem vergangenen Sommer diese Aufgabe. Die 30-Jährige, die Online-Journalismus studiert hat, berichtet, sie habe in der Stadt regelrechten Community-Aufbau betrieben. Ein Vollzeitjob. Denn Schmunk betreut die Yelper nicht nur im virtuellen Raum, sie bringt sie auch real zusammen, wie hier beim Kaffee-Workshop. Sonst gehen sie auch mit Schmunk ins Museum oder treffen sie zum Karaoke-Abend, einmal pro Monat testet eine 15-köpfige "Feinschmeckerrunde" neue Restaurants.

Wie viele Münchner sich bei Yelp bislang registriert haben, hält die Firma geheim. Schmunk sagt allenfalls, dass sie täglich mit 150 bis 200 Online-Konsumenten kurze Chats führe. Das hört sich üppig an. Dennoch sei Qype in Deutschland bislang das bekanntere Portal, sagt die Community Managerin; als Mitbewerber bezeichnet sie Google-Places oder Foursquare. Der Vergleich zu Seiten wie restaurant-kritik.de passe dagegen kaum, schließlich beschränke sich Yelp ja nicht nur auf Gastronomie. Und weil man Wert auf "echte Meinungen von echten Leuten" lege, seien Phantasienamen auf Yelp tabu. Die meisten Yelper benutzen den Vornamen und den ersten Buchstaben ihres Nachnamen.

Aus Angela Stilwell wird dann Angela S. Die gebürtige Augsburgerin, die unter diesem Namen Beiträge verfasst, hat sich mittlerweile den Status einer Elite-Yelperin erschrieben und ist daher zum Kaffee-Workshop eingeladen. Diese speziellen Events sind für sie "ein Anreiz, etwas für die Plattform zu tun". Seit 2006 ist Stilwell als Schreiberin im Netz unterwegs; insbesondere, als sie vor einigen Jahren nach München zog, holte sie sich Anregungen bei Qype. "Ich wusste am Anfang ja nicht, was gut ist oder eben nicht."

Negative Rezensionen schrecken die 31-Jährige bis heute nicht ab. Gerade wenn ein Restaurant "total mies" bewertet worden sei, wecke das "ihren Widerstandsgeist". Schon zum Trotz geht Stilwell dann hin, will herausfinden, ob tatsächlich so schlecht ist, was derart schlecht bewertet wurde. Sie findet es legitim, wenn sich Leute in die Rolle von Restaurantkritikern begeben, die dafür eigentlich nicht ausgebildet sind. "Ich glaube, dass das Netz sehr ehrliche Meinungen abbildet", sagt Stilwell. Nur müsse sich, wer sich Meinungen im Netz hole, darüber im Klaren sein, dass Geschmäcker nun einmal unterschiedlich seien.

Yelper Luigi beim Barista-Event im Cafe Vits in München. (Foto: Stephan Rumpf)

Während der Barista vormacht, wie man den Siebträger in eine Espressomaschine einhängt, erzählt derweil Sabine Hudlet, wie gut sie sich mittlerweile auf der amerikanischen Plattform eingelebt habe. Hudlet war Qyperin, jetzt nennt sie sich Elite-Yelperin. Qype sei von seinen Nutzern "ganz schön missbraucht" worden, sagt die 49-jährige IT-Koordinatorin, insbesondere durch die Möglichkeit, Beiträge zu kommentieren. Da hätten sich die Leute mitunter "gegenseitig fertiggemacht". Bei Yelp gehe das nicht. Missfalle einem Nutzer, was ein anderer geschrieben habe, könne er diesen zwar anschreiben, aber nicht öffentlich bloßstellen.

Hudlet weiß auch schon ein paar Kritiker, an deren Tipps sie sich orientiert, um bei einem Restaurantbesuch nicht enttäuscht zu werden. Ebenso sei verdächtig, sagt sie, wenn jemand nur ein einziges Mal eine Rezension hinterlasse und sich darin entweder auffallend positiv oder negativ über einen Laden auslasse. Yelp wirbt damit, die Seite mithilfe eines Beitragsfilters frei von Verrissen oder gekauften Beiträgen zu halten. Nach welchen Kriterien das erfolgt, ist freilich nicht zu erfahren.

Beliebt ist bei Yelp der sogenannte Check-In in Lokalen oder Geschäften, übers Handy. An besonders aktiven Tagen bringe er es auf zehn bis 15 davon, erzählt Luigi Totaro kurz nach dem Theorieteil des Barista-Workshops. Anderen mitzuteilen, wo er sich gerade aufhält, scheint dem Italiener Spaß zu machen. Auch die Betreuung durch eine Community Managerin, der ungezwungene Kontakt zu einer realen Person, sagt ihm zu. Als Totaro aber über Ostern seine Heimatstadt Florenz besuchte und Kontakt zur dort ansässigen Community aufnahm, musste er feststellen, dass Yelp nicht gleich Yelp ist. "Die Leute waren mir zu jung", erzählt der 48-Jährige. Trotzdem hat Totaro etwas aus der Stippvisite gelernt: Letztlich machen die Nutzer eine Seite zu dem, was sie tatsächlich ist.

© SZ vom 17.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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