Kinderbetreuung:Wer sich selbst um seine Kinderbetreuung kümmert, zahlt drauf

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Stefanie Döring, Katharina Heine und Lilli Frimberger (v.l.) mit Kindern aus der Eltern-Kind-Initiative "Topolinos" in Laim: Die Mütter fordern günstigere Kita-Plätze für Familien mit mehreren Kindern. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • In den Münchner Eltern-Kind-Initiativen muss für jedes Kind der Platz voll bezahlt werden.
  • Kinderreiche Familien müssen darum deutlich mehr zahlen als in städtischen Kitas - dort kostet die Betreuung vom dritten Kind an nichts.
  • Die Ehrenamtlichen wollen sich mit dieser Ungleichheit nicht abfinden.

Von Melanie Staudinger, München

Es geht um Geld, um ziemlich viel Geld sogar. Und ein wenig geht es auch um Anerkennung und um Wertschätzung. Lilli Frimberger könnte sich 410 Euro im Monat sparen, wenn sie für ihre drei Kinder Betreuungsplätze in einer städtischen Tagesstätte hätte. Dann nämlich erhielte sie eine Geschwisterermäßigung, das dritte Kind wäre frei und mit den gesparten 410 Euro wäre vielleicht sogar eine größere Wohnung drin.

Frimberger hat ihre Kinder in der Eltern-Kind-Initiative "Topolinos" in Laim angemeldet. In fast allen der ehrenamtlich geführten Einrichtungen aber gewährt die Stadt keinen Bonus für kinderreiche Familien. "Das ist ungerecht", sagt Frimberger. Zusammen mit Katharina Heine und Stefanie Döring, ebenfalls Mütter aus der Laimer Einrichtung, fordert sie nun, die sogenannte Drittkind-Ermäßigung auf Eltern-Kind-Initiativen auszudehnen.

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Eltern-Kind-Initiativen genießen in München eine Sonderstellung, auch weil sie einen wichtigen Beitrag zur Versorgung mit Kita-Plätzen leisten. Die Familien kümmern sich selbst um die Verwaltung ebenso wie um den Putzdienst und das Rasenmähen. Sie stellen Erzieherinnen ein und suchen aus manchmal langen Wartelisten die Kinder aus, die einen Platz in ihrer Einrichtung bekommen. Das alles geschieht ehrenamtlich und zumeist neben einem Teilzeit- oder Vollzeitjob in der Freizeit.

Im Gegensatz zu vielen Kitas von Trägern wie der Caritas oder der AWO nehmen die ehrenamtlichen Krippen, Kindergärten und Horte meist nicht an der Münchner Förderformel teil. Das ist ein Instrument, mit dem die Stadt freiwillig Kinderbetreuungseinrichtungen zusätzliches Geld gibt, wenn diese sozialverträgliche Gebühren anbieten. Für Elterninitiativen ist das System oft zu bürokratielastig: Neun der 225 Einrichtungen sind beigetreten. Die anderen haben ein eigenes Förderprogramm.

Die Ablehnung des städtischen Zuschusswesens aber wird den ehrenamtlich geführten Einrichtungen nun zum Verhängnis. Denn eine Ermäßigung für Familien mit mehr Kindern gibt es nur dann, wenn mindestens ein Kind eine städtische Einrichtungen oder eine der Kitas besucht, die sich an der Förderformel beteiligen. Bereits beim zweiten Kind reduzieren sich die Gebühren, vom dritten an müssen Eltern nichts mehr bezahlen.

Vergünstigung gilt nicht in Eltern-Kind-Initiative

Die Kinder von Lilli Frimberger und ihren Mitstreiterinnen besuchen allerdings alle eine Eltern-Kind-Initiative, ergo müssen die Familien auch alle Plätze voll bezahlen. Umso mehr ärgert die Mütter das, weil sie sich aktiv in der Einrichtung engagieren. "Wir übernehmen eine städtische Aufgabe und kümmern uns um Betreuungsplätze", sagt Heine. Schon alleine deshalb sei es unfair, dass man keine Vergünstigung bekomme.

Mit fehlender Wertschätzung aber habe die Regelung nichts zu tun, sagt Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD). Auch sie argumentiert mit dem Gleichheitsgrundsatz. Gefördert würden die Tagesstätten, die sich den Bedingungen der Förderformel unterwerfen und günstige Elternbeiträge verlangten. "Würden wir in allen Einrichtungen eine Drittkind-Ermäßigung gewähren, würde die Stadt auch teure private Betreuungsplätze subventionieren", sagt Zurek.

So aber sei die Unterstützung nicht gedacht. Aus ihrer Sicht gibt es nur zwei Optionen: Wenn Einrichtungen einen Bonus für kinderreiche Familien einführen wollten, müssten sie entweder der Förderformel beitreten oder die Sache intern regeln. Letzteres aber birgt die Gefahr, dass andere Eltern dann mehr bezahlen müssten.

Eltern erwägen Klage gegen Kita-Satzung

Der Kleinkindertagesstättenverein, der die Elterninitiativen in München vertritt, erhebt gerade, wie viele Familien von einem Rabatt profitieren würden. Etwa die Hälfte aller Elterninitiativen habe bereits geantwortet, sagt Geschäftsführerin Beate Frank. Konkrete Zahlen lägen noch nicht vor, es zeichne sich aber ein hoher Bedarf ab. Frank räumt ein, dass die Eltern-Kind-Initiativen an der jetzigen Situation nicht ganz unschuldig seien. Bei den Verhandlungen mit der Stadt, ob die ehrenamtlichen Einrichtungen der Förderformel beitreten oder ein eigenes Zuschusssystem erhalten, habe man sich darauf geeinigt, auf die Geschwisterermäßigung zu verzichten.

Der Protest der Eltern zeige aber, dass man über das Thema noch einmal sprechen sollte - zumal ein Bonus auch die stark akademisch geprägte Klientel der Elterninitiativen für andere Schichten öffnen könne. Lilli Frimberger will nun die Antwort von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) abwarten. Sollte sich nichts ändern, überlegen die Familien gegen die Kita-Satzung zu klagen.

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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