Berg am Laim:Verschwundene Züge

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Mit dem Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke könnten auch die Gleisanlagen des Ostbahnhofs im großen Stil umgebaut werden. Doch solche Visionen von Lokalpolitikern haben kaum eine Chance auf Realisierung

Von Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

Tieferlegen. Das ist Robert Kulzers Traum von der Zukunft des Ostbahnhofs. Der Bezirksausschuss-Vorsitzende von Berg am Laim meint das durchaus ernst: Wann, wenn nicht jetzt, solle der richtige Zeitpunkt sein, um eine solche Zukunftsvision zu entwickeln? Noch könnte der mögliche Bau der zweiten Stammstrecke "den Auftakt einer großen Umgestaltung bilden, wohingegen eine spätere Tieferlegung ohne entsprechende Koordination im Vorfeld kaum mehr möglich wäre", erklärt Kulzer (SPD).

Anlass für die Überlegungen des Vorsitzenden ist der Konzertsaal, der im Werksviertel verwirklicht werden soll. Einige Kommentatoren hätten beklagt, dieser Standort sei "zu weit draußen" oder "zu abseits". Und tatsächlich werde von vielen Innenstädtern der Ostbahnhof gleichsam als die Grenze ihrer Stadt wahrgenommen: "Für die endet München am Ostbahnhof und sie ärgern sich nur über die Hochhäuser, die sich von außerhalb in ihre Blickachse drängen werden." Kulzer ist sicher: "Diese empfundene Grenzwirkung des Ostbahnhofs ließe sich mit einer Tieferlegung oder einer Überbauung und urbanen Nutzung der Flächen beseitigen." Weil eine solche Verbesserung primär im Interesse der Stadt liege, sollte diese aktiv an die zuständigen Stellen bei der Bahn und beim Bund herantreten.

Gleise, Gleise, Gleise: Zwischen Berg am Laim und Haidhausen liegt der Ostbahnhof als trennende Barriere, wie der Blick vom Baureferats-Turm zeigt. (Foto: Robert Haas)

Klar sei, dass sich die Station insgesamt in einem schlechten und nicht mehr zeitgemäßen Zustand befinde: Lange Wege, keine oder allenfalls sehr eingeschränkte Barrierefreiheit der Bahnsteige, schlechte Querungsmöglichkeiten und obendrein ungenutzte Gleisanlagen, wie die des früheren Autozugs, prägten den Eindruck seit Jahrzehnten, ergänzt Kulzer. Das passe nicht zu den hochwertigen Quartieren, die ringsum entstehen, sei es an der Orleansstraße oder im Werksviertel.

Die Reaktion im Bezirksausschuss war weitgehend zustimmend, nicht nur bei der SPD. Auch Johann Kott (CSU) erklärte, er sehe zwar technische Fragezeichen, "aber die wachsende Stadt braucht Flächen". Und Jennifer Brichzin (Grüne) fand, der Antrag sei das richtige Signal zum richtigen Zeitpunkt: "Seht her, da passiert was in Berg am Laim."

Doch es gab auch Kritik. Hubert Kragler (Grüne) fand "Ostbahnhof 21" - analog zu Stuttgart 21 - , also die Tieferlegungsidee, sei schlicht "ein unglaublicher Schmarrn": "Viel Spaß bei Demos und Reizgaseinsätzen." Pamela Kolb warnte davor, den Konzertsaal zu gefährden, wenn man den Weg durch den Ostbahnhof schlechtrede. Und CSU-Sprecher Fabian Ewald erklärte, Kulzers Antrag sei zwar "grundsätzlich interessant", die Ziele seien bedenkenswert, er werde aber schon deshalb nicht zustimmen, weil der Ostbahnhof zu 100 Prozent auf Haidhauser Flur liege. Kulzer konterte mit dem weit größeren Interesse der Berg am Laimer an einer Veränderung. Am Ende stimmten außer vier CSU-Vertretern alle für den Antrag zur raschen Überplanung des Ostbahnhofs.

Da sollen Konzertgänger flanieren? Berg am Laim hat die wenig einladende Schmuddelseite, den Hintereingang des Ostbahnhofs erwischt. (Foto: Robert Haas)

Bei einem Sprecher der Bahn allerdings ruft die Tieferlegungs- oder Überbauidee herzhaftes Lachen hervor - aus technischen, finanziellen und aus eigentumsrechtlichen Gründen. Dran sei in München im Moment der Hauptbahnhof, den Ostbahnhof habe man nicht auf dem Schirm. Zwar tauche die S-Bahn hier gerade erst aus dem Tunnel auf, doch es müssten auch die Regional-, Fern- und Güterzüge unter die Erde. Für Dieselzüge müssten oberirdische Umleitungsgleise geschaffen werden.

Die U 5 verlaufe quer unter den Gleisen, müsste ebenfalls weiter runter, was Auswirkungen auf die zweite Stammstrecke hätte. Das alles wäre schier unbezahlbar. Über einen neuen durchlässigen und die Stadtviertel verbindenden Überbau der Gleise mit Läden und Gastronomie könne die Bahn zudem gar nicht allein entscheiden, denn das heutige Empfangsgebäude des Ostbahnhofs sei in privater Hand. Eigentümer sei die AGO, verwaltet werde es von der GVG Grundstücks-und Verwertungsgesellschaft. Auch bei der GVG aber heißt es, am Ostbahnhof werde sich "in nächster Zeit sicher nichts ändern".

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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