Berg am Laim:Hochprozentiger Zeitzeuge

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Anklänge an eine "brutalistische Formensprache" bescheinigen Denkmalschützer dem Fabrikationsgebäude. (Foto: Angelika Bardehle)

Der turmartige Hochbau der früheren Bundesmonopolverwaltung für Branntwein soll unter Denkmalschutz gestellt werden. In Berg am Laim überlegt man, wie das mit aktuellen Bauplänen an der Stelle vereinbar ist

Von Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

- Ein Teil der Gebäude der früheren Bundesmonopolverwaltung für Branntwein an der Neumarkter Straße 1 soll unter Denkmalschutz gestellt werden. Darüber unterrichtete nun die Untere Denkmalschutzbehörde des städtischen Planungsreferats den Bezirksausschuss Berg am Laim. Das Gremium hatte sich dafür eingesetzt, dass die Denkmalschützer das Firmenareal unter die Lupe nehmen, wobei die Mitglieder vor allem an die schmucke Verwaltungs-Villa aus den Fünfzigerjahren gedacht hatten. Das zuständige Landesdenkmalamt jedoch äußerte sich nicht zum Verwaltungstrakt, will aber einen Teil der Produktionsanlage unter Schutz stellen, und zwar das Apparate-, Fabrikations- und Werkstattgebäude.

Dies ist ein turmartiger Hochbau in Betonbauweise mit abgerundeten Ecken, inklusive eines zweigeschossigen Nebenflügels. Erbaut worden ist er 1973 bis 1976 nach Plänen von Adolf und Helga Schnierle. Der Bezirksausschuss hatte keine Einwände, fragt sich aber, ob sich dieses Denkmal integrieren lässt in die Pläne der Stadt, die hier eine Fachschule für Druck- und Medienberufe und ein kommunales Verwaltungsgebäude vorsehen. Auf der Fläche, die an den Leuchtenbergring grenzt, geht es ohnehin schon eng zu, die Stadt hat aus Platzgründen auf eine Kita, die der Bezirksausschuss sich hier zusätzlich gewünscht hätte, verzichtet. Der Bezirksausschussvorsitzende Robert Kulzer (SPD) will nun herausfinden, ob die Denkmaleigenschaft nur die Gebäudehülle betrifft und dieses somit mit neuer Nutzung in die aktuellen Pläne integriert werden könnte oder ob die Stadt "drumrumbauen" muss.

So oder so verschwindet auch ein Teil Berg am Laimer Industriegeschichte, denn das Grundstück mit Bahnanschluss gehörte schon von 1900 an der Cognacfabrik Macholl, die hier aus französischen Weinen Qualitätsbranntwein produzierte und in ganz Europa bekannt war. Nächster Eigentümer war die Süddeutsche Spirituszentrale, die dann 1924 in der Reichsmonopolverwaltung für Branntwein aufging. Seit 1951 war die Bundesmonopolverwaltung zuständig, verarbeitete Schnaps zu reinem Alkohol, wie er etwa in der Pharmazie benötigt wurde. Sie baute einige neue Anlagen, etwa 1961 einen Kühlturm, 1963 ein Heizhaus und in den Siebzigerjahren das nun schutzwürdige Apparate-, Fabrikations- und Werkstattgebäude im nordwestlichen Bereich des Grundstücks, neben den oberirdischen Tanklagern. Der Betrieb wurde 2014 nach der Abschaffung des Branntweinmonopols geschlossen, das 25 Meter hohe Gebäude dient derzeit als Lager.

Laut Denkmalamt besitzt das blau-weiße Gebäude "ein monumentales, auf Fernwirkung zielendes Erscheinungsbild, das sich aus dem kontrastierenden Wechsel großer, offener Glasfassaden und geschlossener Sichtbetonflächen ergibt". Von der Süd- und der Nordseite aus kann man durchs Glas auf die Destillieranlage sehen, die bis unters Dach reicht. Das Gebäude zeige "die gestalterischen Ansprüche der Architektur der Siebzigerjahre". Die Zurschaustellung der Konstruktion und der Materialien zeige Anklänge an eine "brutalistische Formensprache". Gleichzeitig aber werde diese zurückgenommen durch das gefällige Fassadenbild, hier deuteten sich bereits postmoderne Strömungen an. Mit dieser "gestalterischen Ambivalenz" sei der Bau ein seltenes Beispiel der Industriebauten jener Zeit. Er zeige zudem in seinem Schalungsmuster eine hohe handwerkliche Qualität. Besonders deutlich zu sehen ist das nach Meinung der Experten von der Bahnstrecke München-Rosenheim aus.

© SZ vom 02.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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