Berg am Laim:Das Juwel strahlt wieder

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Beinahe zwei Jahrzehnte hat die Renovierung von St. Michael gedauert. Die Kirche ist eine der bedeutendsten Sakralbauten Münchens

Von Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

"So schön wie heute war sie wohl noch nie." Franz Peter und Helmut Strauß sprechen von dem Bauwerk, das ihnen ans Herz gewachsen ist in den vergangenen 19 Jahren - das Berg am Laimer Barockjuwel St. Michael. Fast zwei Jahrzehnte haben sie sich um die Sanierung des vom Architekten Johann Michael Fischer entworfenen Gotteshauses gekümmert, Peter als Architekt, Strauß als Baubeauftragter der örtlichen Kirchenverwaltung. Und sie meinen ihr Statement ernst, denn die Bauzeit war lang, von 1735 bis 1751 - da war wohl nicht alles auf den Punkt so wunderbar hergerichtet wie jetzt.

Peter, ausgewiesener Fischer-Experte, freut sich, dass er das Ende der Sanierungsepoche pünktlich zu Fischers Todestag verkünden kann: Der Baumeister, einer der bedeutendsten des 18. Jahrhunderts, der vor St. Michael auch St. Anna im Lehel entworfen hatte, starb am 6. Mai vor 250 Jahren und wurde an der Südseite der Frauenkirche auf dem damaligen Friedhof bestattet. Sein Epitaph ist an der Südwand der Frauenkirche erhalten. Und dort hat eine Delegation aus Fischers Geburtsstadt Burglengenfeld einen Kranz niedergelegt. Peter und Strauß waren natürlich dabei und haben ihn hochleben lassen.

Gerade ist Franz Peter 66 Jahre alt geworden, doch mit dem Ruhestand hat er sich eigens Zeit gelassen, um die Sanierung von St. Michael vollenden zu können. Dabei hatte alles im Jahr 1997 ganz klein angefangen, mit dem Auftrag, Brandschutztüren einzubauen. George Resenberg, der frühere Baureferent der Erzdiözese München und Freising, sagte damals noch zu ihm: "Glauben Sie ja nicht, dass es eine größere Maßnahme wird." Er sollte sich täuschen.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Fast zwanzig Jahre hat die Renovierung von St. Michael,...

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(Foto: Stephan Rumpf)

...einem der bedeutendsten Sakralbauten Münchens, in Anspruch genommen.

Berühmter Schöpfer: Johann Michael Fischer war der Baumeister von St. Michael - sein Todestag jährte sich am 6. Mai zum 250. Mal.

Peter war ausgewählt worden, weil er sich mit einer Fischer-Ausstellung einen Namen gemacht hatte. Das Stadtmuseum hatte diese Ausstellung abgelehnt mit dem Hinweis, dass Zwiebeltürme "bloß wieder so ein CSU-Thema" seien, erinnert sich Peter. Doch die Ausstellung war später an zwölf Orten in Bayern zu Gast. Dass Peter sich mit Fischer befasst, lag an einem Erlebnis seiner Kindheit: Als Giesinger Bub sei er stolz gewesen auf "seine" Heilig-Kreuz-Kirche, doch ein Onkel habe erklärt, St. Michael sei noch viel schöner. Da ist er wirklich einmal hinaus geradelt nach Berg am Laim - und war begeistert.

Beim Einbau der Brandschutztüren entdeckte der Architekt dann den verhängnisvollen Baupfusch der Siebzigerjahre, als man schadhafte Stellen in den Dachbalken ersetzt hatte mit einem Beton-Kunstharz-Gemisch. An den Nahtstellen bildete sich Staunässe, das Holz faulte. Der Dachstuhl hatte sich schon gefährlich gesenkt. Eine Großbaustelle war die Folge.

Der erste Dominostein war gefallen, die Baustellen-Lawine losgetreten, denn die Arbeiten am Dachstuhl gefährdeten die sensiblen Gewölbekonstruktionen der Kirchenraum-Kuppeln, von denen die größte einen Durchmesser von 17 Metern hat. "Das am weitesten gespannte freitragende Holzgewölbe in Süddeutschland", weiß Peter zu berichten. Nicht auszudenken, wenn sich Putz gelöst hätte und die Fresken von Johann Baptist Zimmermann zerbröselt wären. Also wurde der Kirchenraum vorsorglich eingerüstet, was zwangsläufig die nächste Baustelle nach sich zog: Nun war nämlich erstmals Gelegenheit, sich die Gemälde aus der Nähe anzusehen. Die Fachleute entdeckten Pilz- und Schimmelbildung. Die kaseinhaltigen Farben hatten gelitten unter Kondensfeuchtigkeit. "Der erste Schritt zur Innenrenovierung", erinnert sich Strauß.

Peter freut sich, dass diese Phase der Renovierung in die Jahre fiel, in denen Denkmalschützer der These anhingen, Restaurierung solle sich am Original orientieren. Heutzutage neige man wieder eher dazu, später hinzugefügte bräunliche Firnis - die den dazwischen modernen "Galerieton" brachte, laut Peter aber nichts weiter als "eine dunkle Soße" war - als eine Art Denkmalbestandteil zu sehen. Er aber konnte sich noch durchsetzen, die Farben wieder wie im Originalbefund "frisch und kontrastreich" erstrahlen zu lassen. Oben an einer Säule in einem versteckten Winkel hat er eine Stelle mit der Patina belassen - damit auch dies dokumentiert sei. Doch die Kirche würde längst nicht so strahlen, hätte sich die dunkle Variante flächendeckend durchgesetzt.

19 Jahre lang lag die Verantwortung für die Renovierung von St. Michael in den Händen von Franz Peter (links) und Helmut Strauß. Auf das Ergebnis sind sie - zu Recht - stolz. (Foto: Stephan Rumpf)

Strauß und Peter sind Vertraute geworden in diesen Jahren - auch wenn sie sich immer noch respektvoll siezen, wie sie schmunzelnd verraten. In Strauß hatte Peter stets einen Verbündeten, der seine Ideen verstand - und für sie kämpfte. Das galt auch, als Peter beschloss, die vier Seitenaltäre, deren Sockel irgendwann in Marmor-Optik bemalt worden waren, wieder im ursprünglichen Goldton leuchten zu lassen. Oder als er die Säulen komplettieren ließ, die frühere Generationen für den Einbau von in die Nischen hineingezwängten Beichtstühlen halbiert hatten. Peter aber hat als Ersatz einen in Kirschholz getäfelten, harmonisch wirkenden, einladenden kleinen Beichtraum geschaffen. Er hat auch dafür gesorgt, dass die Kirche nicht mehr so schnell verdreckt: Die offene Gebläse-Heizung wurde ersetzt. Sogar eine neue schlichte Bronzewand für die Opferkerzen, eigens mit Dunstabzug, hat er entworfen. Die Außenwände waren bereits mit dem Dachstuhl renoviert worden, auf grellweiß- und gackerlgelben Rauputz folgte wieder ein glatter Putz in Lichtgrau und gedämpftem Ocker, wie er im 19. Jahrhundert vorgesehen war. Blieb am Ende noch die Doppelturmfassade. Auch hier wurden später ausgebesserte Beton-Ecken, die die Feuchtigkeit eher aufsteigen ließen, entfernt. Die Gemeinde wurde ungeduldig, denn monatelang stand das Gerüst. Der Putz sollte nach dem Rezept von damals hergestellt werden, aber ausgerechnet im damaligen heißen Sommer trocknete er zu schnell. Eine Beobachtungsphase war nötig. "Den letzten Pfiff", wie Strauß munter sagt, hat die Kirche nun mit der neuen "Schreitetreppe" im Hauptportal bekommen - ideal etwa für Hochzeitspaarfotos. Draußen wurden Platten verlegt und Poller gesetzt, damit die Autos künftig zum Parkplatz einen Bogen fahren müssen.

Bei einem solchen Jahrzehnte-Projekt muss man auch über Geld reden. Die Kirche hat laut Strauß, der auch viele Führungen macht, einst 11 000 Gulden kosten sollen und am Ende waren es 51 000. Die komplette Sanierung war mit sieben Millionen Euro veranschlagt - und diese Summe wurde sogar unterschritten. Sie haben eine Erklärung für dieses kleine Wunder: Gemeinsam haben sie dafür gesorgt, dass die Abfolge der Gewerke klappte, hatten auch Glück mit den Baufirmen, welche die Aufträge brauchten und nicht unverschämt teuer waren, die es offenbar aber auch als Ehre empfanden, hier mitzuwirken.

800 000 Euro, 30 Prozent der Kosten für die Innenrenovierung, verlangte die Diözese der Pfarrgemeinde als ihren Eigenbeitrag ab. Und auch die sind zusammengekommen dank Benefizkonzerten, eines Kalenders und einiger Flaschen Überzeugungs-Rotwein, die Strauß mit potenziellen Spendern getrunken hat. Am Ende gaben alle gerne. Denn er hatte sich überlegt, die Deckenfresken und Altarflächen in Tausend-Euro-Quadrate einzuteilen, sodass ein jeder Spender "seinen" Teil der Kirche mitfinanzierte. Ordentlich gerahmte Spendertafeln hängen im Vorraum der Sakristei und lesen sich wie das Who is Who von Berg am Laimer Bürgern, Politikern, Vereinen und Einrichtungen. Die Namensschilder sind auf Fotos der Fresken geklebt.

Nur einer hatte gemeint, sein Name werde direkt im Kirchenhimmel aufs Original-Fresko gepinselt. Als Strauß den Irrtum aufklärte, da gab er nichts. Gereicht hat es auch so. Die Renovierung ist abgeschlossen, Peter kann sich beruhigt zur Ruhe setzen. Die Gemeinde wartet nun nur noch auf einen neuen Altar, Ambo und Taufstein. Die Entwürfe von Professor Nikolaus Gerhard jedenfalls hätten in der Gemeinde Anklang gefunden, sagt Strauß.

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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