Bau der zweiten Stammstrecke in München:Seehofer setzt der Bahn ein Ultimatum

Lesezeit: 2 min

Deutlich teurer als geplant: Der zweite S-Bahn-Tunnel in München. (Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Sie wird etwa 400 Millionen Euro mehr kosten als geplant und Fachleute machen Planungsmängel aus: Die Verantwortlichen der zweiten Stammstrecke sind unter Druck geraten. Bayerns Ministerpräsident Seehofer zeigt sich sehr verärgert über die Bahn und verlangt bis Montag Aufklärung.

Von Mike Szymanski und Marco Völklein

Eine Steigerung der Kosten um fast 20 Prozent, massive Kritik an den Planungen von den Fachleuten der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) - die Deutsche Bahn und Bayerns Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) geraten beim geplanten zweiten S-Bahn-Tunnel heftig unter Beschuss.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will möglichst rasch geklärt haben, wie viel der geplante zweite S-Bahn-Tunnel kosten wird. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung zeigte er sich sehr verärgert über die Bahn. "Ich sage, wir wollen die zweite Stammstrecke, aber kein finanzielles Abenteuer." Bis Montag verlangt er Aufklärung von der Deutschen Bahn. Dann will Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) im Kabinett einen Bericht abgeben. "Die Bahn muss sauber darlegen und begründen, wie der Unterschied in den Kalkulationen auftauchen kann."

Zweite Stammstrecke: Wo gebaut wird Zweite Stammstrecke: Wo gebaut wird (Foto: SZ-Graphik)

In einer Übersicht für den Bahn-Aufsichtsrat, die der SZ vorliegt, werden Gesamtkosten von 2,433 Milliarden Euro aufgeführt. Bisher hatte die Bahn stets eine Bausumme für den Tunnel von 2,047 Milliarden Euro genannt. Es bestehe "totaler Aufklärungsbedarf", sagte Seehofer. Beim letzten Spitzentreffen zu dem Thema im November 2012 in der Staatskanzlei sei es um die Frage gegangen, wie ein Ausufern der Kosten vermieden werde könne. Die nun im Raum stehende Steigerung sei damals kein Thema gewesen.

Die konzerninterne Übersicht datiert allerdings aus dem September 2012, vorgelegt wurde sie dem Bahn-Aufsichtsrat offenbar im Dezember 2012. Auch der Landtag müsse unterrichtet werden, sagte Seehofer weiter. Schließlich hätten die Parlamentarier im Dezember den Doppelhaushalt für 2013/2014 verabschiedet, der nun offenbar auf veralteten Kalkulationen basiert.

Von einer "riesigen Seifenblase", die "kurz vorm Platzen" sei, sprach am Freitag der Landtagsabgeordnete Thomas Mütze (Grüne). Michael Piazolo von den Freien Wählern warf dem Minister und der Bahn vor, "von Anfang an mit Luftbuchungen gearbeitet" zu haben. Und Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn forderte ein Moratorium für das Projekt, damit andere, bereits beschlossene Maßnahmen zur Verbesserung des S-Bahn-Angebots "endlich realisiert werden können".

Aus einer internen Übersicht für den Aufsichtsrat der Bahn, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, geht hervor, dass der geplante Tieftunnel mindestens 2,433 Milliarden Euro kosten wird - und nicht wie bislang von Zeil und der Bahn behauptet 2,047 Milliarden Euro. Zudem hatte die MVG in einem Brief an den Stadtrat erneut auf aus ihrer Sicht gravierende Planungsmängel bei der Anbindung der zweiten Röhre an das U-Bahn-Netz hingewiesen. Demnach sind die Übergänge und Verbindungswege zwischen S- und U-Bahn insbesondere am Hauptbahnhof nicht ausreichend groß, um zum Beispiel bei einem Brand die Stationen schnell evakuieren zu können.

Dort verlaufen die bestehenden Röhren von U- und S-Bahn bereits zusammen, der neue Tieftunnel soll unter dem bestehenden System entlang führen. Über verschiedene Röhren und Stollen sollen die Fahrgäste zwischen U- und S-Bahn wechseln können.

Es gehe daher nicht nur "um das Geld der Steuerzahler, sondern auch um das Leben der Münchner Fahrgäste", erklärte Piazolo. Mütze forderte Zeil auf, "jetzt den Reset-Knopf zu drücken" und Alternativlösungen anzugehen. Als besonders dringlich nannte Pro-Bahn-Sprecher Barth unter anderem den Bau der "Sendlinger Spange" mit einer Einbindung des S-Bahnhofs Laim. Bei Sperrungen im bestehenden S-Bahn-Tunnel könnten die Züge dann über den Bahn-Südring geleitet werden.

Eine Sprecherin Zeils kündigte am Freitag an, der Minister werde sich direkt an Bahnchef Rüdiger Grube wenden, um "die Fragen möglichst rasch einvernehmlich zu klären". Es sei an der Bahn, "bei Kostenfrage und Zeitpunkt der Inbetriebnahme Transparenz zu schaffen". Man sehe "Klärungsbedarf auf höchster Ebene", ein konkreter Termin sei aber noch nicht vereinbart.

"Mit Befremden" habe man registriert, dass die Kostensteigerungen bahnintern bereits im September bekannt waren, dem Aufsichtsrat erst im Dezember vorgelegt wurden - und "im Vorfeld der Aufsichtsratsbefassung eine Information des Freistaats unterblieben ist".

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: