Aubing:Schwerer Kürbis

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Wie eine Familie Hilfe bekam

Ein Tagesausflug an den Stadtrand. SZ-Leserin Susanne Kiesewetter und ihr Mann sind mit ihren beiden Kindern auf dem Heimweg Richtung Münchner City, die S-Bahn fährt nicht, sie sind auf den Schienenersatzverkehr angewiesen. Es ist gegen 19 Uhr, die Familie steht alleine an der etwas abgelegenen Bushaltestelle Leienfelsstraße. "Erst warteten wir da allein, mit zwei Kinderfahrrädern, Gepäck und einem riesengroßen, frisch vom Feld gekauften Kürbis", berichtet Kiesewetter. Dann aber seien nach und nach immer mehr Flüchtlinge aus einer neu eingerichteten Behelfsunterkunft eingetroffen. "Bald waren wir umringt von 40 bis 50 teils minderjährigen oder jungen Erwachsenen verschiedenster Herkunft - durchweg Männer."

Die Situation, erinnert sich Kiesewetter, habe gut dazu getaugt, ein "mulmiges Gefühl" zu bekommen, "schon weil wir uns fragten, wie wir bei diesem Andrang mit unserem Gepäck noch in den Bus passen sollten". Aber auch, weil sie und ihr Mann sich plötzlich deutlich in der Minderzahl fühlten gegenüber einer "schwer einschätzbaren Gruppe". Und mit den zwei- und fünfjährigen Kindern sei man natürlich auch besonders langsam und verletzlich gewesen.

Der Bus kam, erzählt Susanne Kiesewetter, "und was dann folgte, war geradezu ein Feuerwerk der Hilfsbereitschaft für uns". Gleich mehrere Männer hätten Hilfe angeboten: "Sie verstauten die Fahrräder, machten den Kindern Sitzplätze frei, hielten mir während der Fahrt den acht Kilo schweren Kürbis." Auf dieser Fahrt Richtung Bahnhof Pasing lernten einige Flüchtlinge das Wort "Kürbis", und die Kiesewetters erfuhren, dass es sich bei den Männern um Neuankömmlinge handelte. "Beim Aussteigen wurde meine kleine Tochter von fremden Armen aus dem wirklich engen Bus gehoben, und mir war es schon fast etwas zu viel des Guten, aber die Kleine war ganz ohne Angst", berichtet Susanne Kiesewetter, und sie sagt über die zufällige Begegnung: "So viel Hilfsbereitschaft auf einmal erlebe ich sonst im Münchner Alltag nicht. Ich hatte den Eindruck, diese Menschen sind dankbar und wollen unbedingt etwas von der offenbar selbst erfahrenen Hilfsbereitschaft zurückgeben. " Sie ist überzeugt: "Hier ist ein vielversprechender Anfang des Zusammenlebens gemacht."

© SZ vom 28.09.2015 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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