Aubing:Die Stadt ist am Zug

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Lautes Räderwerk: Im Westen sind viele Anwohner vom Bahnlärm genervt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Anwohner des Bahnbetriebsgeländes Pasing fordern "planerische und finanzielle" Ansätze im Kampf gegen den Zug-Lärm

Von Ellen Draxel, Aubing

94 Dezibel: Diesen Spitzenwert hat Volker Hanke im Sommer 2014 auf seinem Grundstück an der Hellensteinstraße gemessen. Wenn er zu Hause ist, so erzählt der Aubinger, komme er sich oft vor "wie auf dem Rollfeld am Flughafen". So laut seien die Züge am Tag und in der Nacht. Hanke wohnt direkt neben dem Gleis 75 des Bahnbetriebsgeländes Pasing, sein Garten grenzt unmittelbar an die Schienen. Auf den Gleisen 65 bis 75 stellt die Bahn seit Jahren ihre Waggons ab - Nachtzüge, S-Bahnen, den Regionaltriebwagen "Talent 2" der Werdenfelsbahn, Regio-Doppeldecker, Intercity- und Intercity-Express-Züge. Über Stunden laufen dann Aggregate wie Klimaanlagen oder Lüftungen. "Momentan sind es die Heizungen, die nachts brummen, die Vibration überträgt sich auf unser ganzes Haus", berichtet Hanke. In der Nacht wird die Familie von den Geräuschen geweckt, am Tag traut sie sich wegen der Lautstärke kaum noch ins Freie.

Die Hankes sind kein Einzelfall. Annähernd hundert Anlieger sind von den Lärmimmissionen des Bahnbetriebsgeländes betroffen. Beschwerden von Aubingern, die zwischen Noder- und Engelburgstraße längs der Gleise wohnen, erreichen daher regelmäßig den Bezirksausschuss (BA) Aubing-Lochhausen-Langwied. Die Anwohner fordern eine Lärmschutzwand, da sich trotz jahrzehntelanger Proteste bei der Bahn bisher kaum etwas geändert hat. Auch die Stadt sehen die Anlieger in der Pflicht, schließlich habe sie die Bebauung entlang des Gleises 75 genehmigt.

Dass eine Lärmsanierung der einzige Weg ist, der Belastung dauerhaft Herr zu werden, sieht auch das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU). "Aber wir haben als Stadt nicht die Zuständigkeit dafür", erklärte Dieter Kemmather den Anwohnern in der Sitzung des BA-Unterausschusses Planung, Bauen, Umwelt am Montagabend. Der Stadt seien die Hände gebunden: Sie gebe jede Beschwerde weiter, werde aber an das Eisenbahnbundesamt als Planfeststellungs- und Bewilligungsbehörde verwiesen. Eine Argumentation, mit der sich die Bürger nicht länger zufriedengeben. "Wir drehen uns im Kreis", konstatierte Werner Litza, "bitte machen Sie sich Gedanken, welche planerischen und finanziellen Möglichkeiten die Stadt hat, und unterbreiten Sie diese Vorschläge der Bahn."

Vonnöten sei ein konstruktiver Ansatz: Was spricht dagegen, dass die Stadt zugunsten der Gesundheit ihrer Bürger in Vorleistung geht, wie es jüngst die Gemeinde Haar mit der Finanzierung und dem Bau einer ein Kilometer langen Lärmschutzwand vorexerziert hat? Litza ist Vorsitzender der Interkommunalen Lärmschutzinitiative, Ziel des 2008 gegründeten Vereins ist es, den Lärm der Regional- und S-Bahnzüge an peripheren Bahnhöfen zu reduzieren oder zu vermeiden. Zwölf Umlandkommunen und der Landkreis München gehören der Initiative an.

Aus Sicht des Referates und der Politiker aber lässt sich die Situation in München nicht mit der einer Gemeinde vergleichen. In München gibt es zahlreiche Bahnstrecken, an denen sich Protest formiert, aber nicht überall könne die Stadt Lösungen bezahlen. "Rechtlich mag Gewerbelärm wie hier am Betriebsgelände in Pasing zwar von Streckenlärm zu unterscheiden sein", meinte Stadtrat Johann Sauerer (CSU), "aber sagen Sie das mal den leidgeprüften Bürgern. Politisch ist dieser Unterschied nicht vertretbar."

Kemmather will nun mit Umweltreferentin Stephanie Jacobs die Lage besprechen und "schauen, was möglich ist". Dem Bezirksausschuss ist eine enge Vernetzung aller Beteiligten wichtig. Die Bahn, informierte Litza, habe am 5. Dezember 2016 bei einem Termin mit Anliegern immerhin bereits mündlich zugesagt, die Grundstücke für den Bau einer Lärmschutzwand entlang des Gleises 75 "unentgeltlich" zur Verfügung zu stellen.

© SZ vom 11.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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