Allach/Untermenzing:Überlastetes Dorf

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Altes und neues nebeneinander: Blick vom Hotel im Bunker auf Allach mit der denkmalgeschützten Suppenwürze von Diamalt (Mitte) und Krauss-Maffei. (Foto: Privat)

Für Allach fehlen seit Jahrzehnten Mobilitätskonzepte. Eine Diskussionsrunde zeigt: Es gibt viele Ideen

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Noch haben Allach und Untermenzing den Charme eines Dorfes. Und glaubt man den Statistiken, ist der Stadtbezirk geradezu "luftig", wie es Michael Widl-Stüber, Stadtbereichsleiter der Volkshochschule für den Münchner Westen, ausdrückt. Denn in Allach-Untermenzing lebten im Schnitt gerade einmal 21 Einwohner auf einem Hektar, in Schwabing-West seien es 164. Auf der anderen Seite hat Allach die größte Autodichte pro Einwohner. Und war die A 99 für einen Alteingesessenen wie Josef Feig anfangs noch ein Segen, "haben wir sie jetzt als Fluch": Nämlich immer dann, wenn im Allacher Tunnel nichts mehr vorwärtsgeht und sich der ganze Berufsverkehr aus der Region auf den Weg in die Innenstadt über den Stadtbezirk ergießt.

Allein diese Zahlen spiegeln die Problematik wider, mit der sich eine Podiumsdiskussion unter Moderation der Münchner Volkshochschule in Kooperation mit dem Bezirksausschuss (BA) über die städtebauliche Entwicklung und den Umbruch im Stadtbezirk befasst hat. "Wir haben Verdichtung und keine Entlastung", brachte es Feig auf den Punkt. Neben Feig als Vertreter des Gewerbes und der Interessengemeinschaft der Allacher Vereine debattierten Matthias Mertmann, Eigentümer des Kesselhauses auf dem Diamaltgelände, der vor neun Jahren gezielt von der Schweiz nach Allach gezogen war, Dietlinde Schermer, die seit zehn Jahren in der Leitung der Schulweghelfer tätig ist, und die CSU-Stadträtin und BA-Vorsitzende Heike Kainz. Die Sicht der Stadt vertrat Arne Lorz, der die Hauptabteilung Stadtentwicklungsplanung im Planungsreferat leitet.

Doch was tun? Die teils im Ausbau noch dörflichen Straßen können weder den massiven Pendlerverkehr noch den der eigenen Verdichtung aufnehmen. Immer mehr einstmals kleine Häuschen weichen Mehrfamilienhäusern, hinzu kommen große Neubaugebiete wie in der Gerberau, die Hirmerei, auf dem Diamaltgelände, am Oertelplatz und bald auch auf dem Kirschgelände. Schulen, Sport- und Betreuungsplätze reichten schon jetzt nicht aus, der ÖPNV hinke hinterher, die S-Bahn sei völlig überlastet, so die Klagen.

Die Bürger und Diskutanten hätten da schon Ideen: den ÖPNV ringförmig ausbauen, damit nicht alles nur über die Stadtmitte erreichbar ist, kostenloser ÖPNV, MVV-Tickets statt Dienstfahrzeuge, den Pendelverkehr mit Park-and-ride-Plätzen und Parkhäusern am Stadtrand abfangen, große Bauvorhaben zwingend mit sozialer und verkehrlicher Infrastruktur verknüpfen, von anderen Städten lernen, wo es funktioniert. Der Oertelplatz wäre ideal für eine U-Bahn gewesen, doch diese Chance sei jetzt vertan, sagte ein Mann. Mehr Anreize, damit Bürger aufs Auto verzichteten, forderte auch Schermer. Doch dafür brauche es gleichzeitig auch andere Mobilitätskonzepte. Einen U-Bahn-Ringschluss habe man schon 2008/2009 gefordert, so Kainz. "Damals sind wir noch ausgelacht worden. Heute lacht zumindest keiner mehr." Und auch in kultureller Hinsicht sei Allach eher noch ein weißer Fleck, sagte Mertmann.

Den Vorwurf aus den Reihen der 30 Bürger im Vereinsheim, die Stadt tue nichts und habe keinen Masterplan für die Zukunft, widersprachen Kainz und Lorz, der bis Februar die Stadtentwicklung in Duisburg geleitet hat. Bis Mitte der Neunzigerjahre, als die Wachstumszahlen stagnierten und sogar nach unten zeigten, sei die Infrastruktur ausreichend gewesen, sagte Lorz. Mit einem so starken Boom in so kurzer Zeit habe kaum jemand rechnen können. Mittlerweile gebe es eine Million Pendlerbeziehungen täglich. Das sei nur gemeinsam mit dem Umland zu lösen, aber es sei eben länger nichts getan worden, und alles brauche Zeit. Die Verfahren unter einer Vielzahl von Vorschriften, An- und Verordnungen seien langwieriger und schwieriger, Projekte müssten gesellschaftlich diskutiert und politisch beschlossen werden. Und nicht immer sei die Stadt alleinige Entscheiderin. Wobei auch Grundstücksfragen und juristische Auseinandersetzungen Prozesse um Jahrzehnte verzögern können, wie Kainz am Beispiel der Einmündung der Ludwigsfelder- in die Eversbuschstraße und der Allacher Straße verdeutlichte. Der Plan, die Ecke an der Ludwigsfelder Straße zu erweitern, sei jetzt so alt wie ihre Tochter: "31 Jahre."

© SZ vom 22.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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