Allach/Untermenzing:Geschichte als Stolperschwelle

Lesezeit: 2 min

Haus mit Historie: Das Anwesen an der Eversbuschstraße hat schon viele Nutzungen erlebt, nun soll es als Baudenkmal eingestuft werden. (Foto: Catherina Hess)

Denkmalschützer wollen ein knapp 400 Jahre altes Anwesen an der Eversbuschstraße als Baudenkmal einstufen und erhalten. Es prägt das Dorfensemble, steht aber möglicherweise dem Projekt Kulturbürgerhaus im Wege und lässt nur wenig Platz für den Gehsteig

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Einst war es Edelsitz oder zumindest ein stattliches Wohnhaus, seit 1779 Kinderheim des "Mildtätigen Vereins", später Schulhaus und Polizeistation: das Gebäude an der Eversbuschstraße 159. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege möchte es als Baudenkmal in die Denkmalliste der Landeshauptstadt München aufnehmen. Dieses Ansinnen stieß im Bezirksausschuss (BA) jedoch auf unterschiedliche Reaktionen.

"Das bedeutet, dass wir das Kulturbürgerhaus drumherumbasteln müssen", sagte die CSU-Stadträtin und BA-Vorsitzende Heike Kainz. Sie zog in Zweifel, dass das Gebäude jemals mit einem vertretbaren Aufwand so hergerichtet werden könne, dass es annehmbar sei. Zudem müsse dabei auch die Schulwegsicherheit in Betracht gezogen werden - und diese sei selbstverständlich höher zu bewerten als die Denkmalwürdigkeit. Dies gelte auch dann, wenn es Probleme wegen des Ensembleschutzes geben könnte, sagte sie. Dazu muss man wissen, dass das wie ein altes Bauernhaus anmutende Gebäude so nahe an der Eversbuschstraße steht, dass der Gehsteig dort sehr schmal geraten ist. Bei einem Abriss oder Rückbau, so ihre Hoffnung, ließe sich dieser verbreitern.

Für die Denkmalschützer hingegen ist es das stattlichste und älteste noch bestehende Gebäude in Allach, das einen weltlichen Zweck hatte, also ein Profanbau ist. Sie halten es für eines der ältesten außerhalb der Altstadt innerhalb des Stadtgebiets. Sie stützen sich auf Holzproben zur Altersbestimmung: Die verwendeten Hölzer am Dach und in den Deckenbalken im Erdgeschoss weisen laut ihrem Bericht auf ein Fälldatum im Sommer und Winter 1621/22 hin. Sie gehen von einer Bauzeit im selben Jahr oder kurz danach aus.

Fast zweieinhalb Jahrhunderte später sei das ehemals große Wohnhaus zweigeteilt worden, der westliche Teil soll wirtschaftlich, der östliche weiter zum Wohnen genutzt worden sein. Aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stamme noch die Vertäfelung einer Decke im Erdgeschoss. Dieses wird im östlichen Teil derzeit als Büro genutzt, im westlichen als Lager; Obergeschoss und das erste Dachgeschoss seien bewohnt. Aufgrund der Größe und des hohen ersten Obergeschosses steht für die Experten fest, dass das Gebäude kein gewöhnliches Bauernhaus gewesen sei. Die Hölzer für den Bau stammten aus den Wäldern des Gebirges und lassen die Fachleute eher auf ein herrschaftliches Anwesen schließen: einen Edelsitz oder ein Jagdschlösschen. Schließlich habe das Holz von der Amper oder Isar entweder acht oder 15 Kilometer über Land nach Allach transportiert werden müssen, was sich auch nicht jeder leisten konnte.

Den Recherchen der Denkmalschützer zufolge richtete der "Mildtätige Verein" aus München in dem Gebäude 1779 ein Erziehungsinstitut für elternlose und uneheliche Kinder ein. Im frühen 20. Jahrhundert sei es dann als Schulhaus genutzt worden und von 1912 bis 1937, also bis ein Jahr vor der Eingemeindung, war darin die Polizeistation von Allach untergebracht.

Ingrid Haussmann (parteifrei), Vorsitzende des Unterausschusses Kultur, warnte eindringlich davor, in das Dorfkernensemble einzugreifen. "Wenn man dort etwas herausschneidet, kann man das Ensemble gleich in die Tonne treten", sagte sie. Die Eversbuschstraße habe viele enge Ecken, sagte sie zum Thema Schulwegsicherheit. Und das Kulturbürgerhaus - es soll neben dem Vereinsheim entstehen - könne auch dann gebaut werden, wenn das Gebäude erhalten bliebe. Denkbar wäre ja auch, dort Wohnungen für Künstler anzubieten. Haussmann: "Das wäre eine wunderbare kompatible Nutzung zum Kulturbürgerhaus und eine Chance, den Bereich, der entstehen soll, sinnvoll zu ergänzen."

Für Josef Feig (CSU) ist das Thema Denkmalschutz generell ein rotes Tuch. Die Hauseigentümer im Ortskern wollten nicht, dass ihre Häuser unter Denkmalschutz gestellt werden, weil sie dann nicht frei bestimmen könnten, was sie mit ihrem Eigentum machen. Das sei "eine moderne Enteignung", sagte er. Im Fall Eversbuschstraße 159 dürfte dies keine Rolle spielen: Das Haus befindet sich im Eigentum der Stadt. Eine Stellungnahme sollen jetzt die Unterausschüsse Kultur sowie Planung und Bau ausarbeiten.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: