Verfahren gegen Demjanjuk:Chaos im Gerichtssaal

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Zum Kriegsverbrecher-Prozess gegen John Demjanjuk werden Hunderte Zuschauer erwartet, doch es gibt viel zu wenig Plätze im Gerichtssaal. Das Chaos ist absehbar.

Alexander Krug

Beim wohl letzten großen Shoah-Prozess auf deutschem Boden gegen den 89-jährigen John Demjanjuk drohen chaotische Zustände. Der erwartete Ansturm von mehreren hundert Medienvertretern und Zuschauern zum Prozessauftakt am 30. November übersteigt bei weitem das begrenzte Platzangebot im Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße.

Für den Prozess gegen den mutmaßlichen KZ-Wächter John Demjanjuk stehen im Schwurgericht nur 147 Plätze zur Verfügung. (Foto: Foto: AP)

Doppelte Einlasskontrollen, bei denen die Besucher abgetastet und die Ausweise kopiert werden, verschärfen die Situation zusätzlich, denn ausgerechnet jetzt wurden wegen Sanierungsarbeiten manche Gebäudeteile mit Sperrholzplatten abgesperrt.

Mit dem gebürtigen Ukrainer John Demjanjuk wird sich erstmals in der bundesdeutschen Justizgeschichte ein nichtdeutscher Wachmann eines NS-Vernichtungslagers wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an dem millionenfachen Mord an den europäischen Juden vor einem deutschen Gericht verantworten müssen.

Der heute 89 Jahre alte Demjanjuk ist angeklagt wegen Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen. Er soll im Vernichtungslager Sobibór im Südosten Polens von März bis September 1943 als von der SS ausgebildeter Wachmann mitgeholfen haben, Juden aus ankommenden Transporten in die Gaskammern zu treiben. Bis auf etwa 2000 deutsche Juden stammen die Opfer allesamt aus den Niederlanden.

Demjanjuk wanderte nach dem Krieg in die USA aus und nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Diese wurde ihm 2004 endgültig aberkannt, im Mai dieses Jahres wurde er nach langem juristischen Tauziehen nach München abgeschoben. Seither ist er in der Krankenabteilung der JVA Stadelheim untergebracht.

Ärztlichen Gutachten zufolge leidet er an einer Knochenmarkserkrankung, die meiste Zeit sitzt er im Rollstuhl. Gleichwohl wurde er bislang von Ärzten als verhandlungsfähig eingestuft mit der Einschränkung, dass nicht mehr als drei Stunden pro Tag verhandelt werden dürfe.

Das Interesse an dem Prozess ist im In- und Ausland enorm. Bislang haben sich für das Mammutverfahren in München 211 Journalisten akkreditieren lassen, wie viele Zuschauer kommen, lässt sich kaum abschätzen. Aus den USA, Israel und den Niederlanden haben bereits einige ihr Kommen angekündigt, darunter sollen auch Angehörige von Opfern sein, die in Sobibór ums Leben kamen. Den älteren Menschen droht nun ein unwürdiges Gerangel um die wenigen Sitzplätze, die das Schwurgericht für Zuschauer bietet.

Der Bundesgerichtshof hatte das Verfahren im Dezember 2008 dem Landgericht München II zugewiesen, weil Demjanjuk nach dem Krieg für einige Zeit in Feldafing im Landkreis Starnberg lebte. Die nun zuständige Schwurgerichtskammer des LG II verfügt aber nur über einen sehr kleinen Saal mit 40 Plätzen. In diesem winzigen Raum sollen 20 der insgesamt 35 Verhandlungstage stattfinden, die das Gericht vorerst bis Anfang Mai festgelegt hat. Nur für die übrigen 15 Tage, darunter die drei ersten Prozesstage, steht der größere Saal des Schwurgerichts München I zur Verfügung.

Auch für die Prozessbeteiligten wird es eng

Doch auch dort sind die Räumlichkeiten beengt und nicht auf hunderte Zuhörer eingerichtet. Der Saal verfügt auf zwei Ebenen über insgesamt 147 Plätze, der untere Teil mit 68 Plätzen ist ausschließlich für Medienvertreter reserviert. Manche haben darum bereits angefragt, mit einem Schlafsack vor dem Sitzungssaal übernachten zu dürfen. Dies wurde mit Blick auf Sicherheitsbedenken abgelehnt.

Eng wird es auch für die direkten Prozessbeteiligten. An die 40 Nebenkläger sind bislang zugelassen worden, allesamt Angehörige von Ermordeten in Sobibor. Wie viele mit einem Anwalt erscheinen, steht noch nicht fest. Sollte jeder einzelne mit einem Rechtsbeistand auftreten, wären dies allein 80 Personen, die in dem Halbrund vor dem Richtertisch kaum unterzubringen wären.

Der Justiz sind die Platzprobleme bekannt, aus ihrer Sicht gibt es jedoch keine Alternativen. "Es gibt einfach keinen größeren Saal", bittet Richterin Margarete Nötzel, Sprecherin des Oberlandesgerichts, um Verständnis. Auch die ursprünglich einmal angedachte Verlegung des Prozesses in die JVA Stadelheim bringe nichts. "Der Saal ist auch nicht größer."

Letztlich werde es wohl dazu kommen, dass "wir nicht alle Interessierten unterbringen können", räumt Nötzel ein. An eine Übertragung des Verfahrens mittels Videotechnik in einen anderen Sitzungssaal ist zumindest derzeit noch nicht gedacht. Unklar ist auch, ob dies technisch überhaupt möglich wäre.

© SZ vom 18.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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