Streit zwischen Polizei und Justiz:Schläger in der Wohnung

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Ein rasender Mann schlägt und würgt seine Ehefrau und erhält daraufhin ein Kontaktverbot. Doch nur wenige Tage später taucht er wieder in der gemeinsamen Wohnung auf - in Begleitung von Polizisten. Das Amtsgericht kritisiert das Vorgehen, die Polizei hält es dagegen für normal.

Ekkehard Müller-Jentsch

Darf die Polizei einen gewalttätigen Ehemann, der sich seiner Frau auf richterliche Verfügung hin nicht mehr nähern darf, zurück in die gemeinsame Wohnung bringen? Die Münchner Polizei sagt Ja. Das Amtsgericht München sagt Nein. Der Rechtsanwalt Hanns Jürgen Ringlstetter hat wegen dieses Falles nun Strafanzeige gegen die Polizei erstattet.

Im Sommer 2010 hatte ein Mann den Kopf seiner Frau an einer Wand blutig geschlagen und sie gewürgt. Zwei Polizisten konnten den rasenden Mann schließlich überwältigen. Sie nahmen ihm vorsorglich die Wohnungsschlüssel ab. Ein Familienrichter verfügte fünf Tage später ein Kontaktverbot gegen den Ehemann. Ihm wurde untersagt, die Wohnung seiner Frau zu betreten, er darf keinen Kontakt zu ihr aufnehmen und muss mindestens 100 Meter Abstand zu ihr halten.

Um so größer der Schrecken der Frau, als nur zwei Tage später der Ehemann und sein Neffe in Begleitung von zwei Polizisten vor der Tür standen. Die Beamten verlangten, dass er sich "seine Sachen" abholen dürfe. Telefonisch hatten sie kurz zuvor diesen Besuch angekündigt.

In seiner Strafanzeige beschreibt der Anwalt Ringlstetter, dass die Polizisten massiv auf seine sich sträubende Mandantin eingewirkt hätten. "Schließlich, unter dem Druck dieser für sie aussichtslosen Situation, erklärte sie sich mehr oder weniger dazu bereit, dass er seine Kleindung mitnehmen dürfe." Zuvor habe sie darauf bestanden, dass auf keinen Fall der Neffe ihre Wohnung betreten dürfe. Die Polizisten hätten aber keinerlei Anstalten gemacht, dies zu unterbinden. Die Frau rief deshalb ihren Anwalt an: Der erklärte den Beamten über Handylautsprecher, dass sie den Gerichtsbeschluss zu beachten und sofort die Wohnung zu verlassen hätten. "Dies lehnten die Polizisten ab", sagt der Anwalt. "Meine Mandantin ist völlig von ihnen überfahren worden."

Einige Tage später habe sich herausgestellt, dass Polizisten schon vorher ohne Wissen der Frau in der Wohnung gewesen seien. Dazu hätten sie den Schlüssel benutzt, den sie dem Ehemann abgenommen hatten, sagt Ringlstetter. "Auf Nachfrage bei der Polizei wurde dieses Eindringen gegenüber meiner Mandantin dann auch bestätigt."

Der Rechtsanwalt wirft der Polizei in seiner Strafanzeige vor, dass die Beamten ihre Befugnisse überschritten hätten. Ein Pressesprecher des Münchner Präsidiums sieht das anders: "Die Wohnungsbetretung in Begleitung von Polizeibeamten ist Usus - das haben wir Tag für Tag, ich kenne das nicht anders." Schließlich müsse der Mann an seine Kleidung und Toilettenartikel kommen können. Die begleitenden Beamten würden dabei aufpassen, dass nichts passiere.

Das steht in krassem Widerspruch zur offiziellen Stellungnahme des Amtsgerichts München. Ingrid Kaps, Richterin und Pressesprecherin, sagte auf Anfrage der SZ: "Wurde in einem Gewaltschutzverfahren durch das Gericht jemandem der Kontakt mit einer anderen Person untersagt, umfasst dies auch das Verbot, sich zur - ursprünglich gemeinsamen - Wohnung zu begeben, um seine Sachen abzuholen. Und zwar auch dann, wenn derjenige, gegen den die Anordnung erlassen wurde, von der Polizei begleitet wird." Ein neutraler Dritter, der vom Kontaktverbot nicht betroffen sei, könne natürlich versuchen, das Eigentum des Betroffenen von der ehemaligen Partnerin zu erlangen, erklärt die Gerichtssprecherin. "Scheitert dies, muss gegebenenfalls auf Herausgabe geklagt werden."

© SZ vom 06.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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