Pläne zum Rederecht der Parlamentarier:Wie man den Bundestag kaputtmacht

Das Parlament heißt Parlament, weil dort parliert, also geredet werden soll. So viel wie möglich. Doch der freien Rede des freien Abgeordneten soll mit einer neuen Geschäftsordnung der Garaus gemacht werden. Wenn die Abgeordneten das wirklich so beschließen - dann beschließen sie ihre Selbstentmündigung.

Heribert Prantl

Das Parlament heißt Parlament, weil dort parliert, weil dort geredet werden soll - so viel, so klug, so streitig und so überzeugend wie möglich. Das Parlament ist, der Idee und dem Papier des Grundgesetzes nach, der freieste Ort, den man sich vorstellen kann. Nirgendwo ist die freie Rede so geschützt wie dort - wenn denn der Abgeordnete überhaupt zum Reden kommt. Künftig nicht mehr. Die geplante neue Geschäftsordnung ist die Gebrauchsanweisung dafür, wie man den Bundestag kaputtmacht.

Der freien Rede des freien Abgeordneten soll der Garaus gemacht werden. Genau dies wollen die Fraktionsspitzen ihren Parlamentariern aufzwingen: Wer unbedingt erklären will, warum er wie abstimmt, der soll das künftig schriftlich tun - kurz vor der Abstimmung, und auf so wenigen Zeilen wie möglich. Und dem Bundestagspräsidenten soll es künftig praktisch unmöglich gemacht werden, einen Abgeordneten aufzurufen, der eine andere Meinung vertritt als seine Fraktion.

Wenn die Abgeordneten das wirklich so beschließen - dann beschließen sie ihre Selbstentmündigung, dann bestellen sie ihren jeweiligen Fraktionsgeschäftsführer zum Vormund. Man könnte das Parlament dann auch gleich viel einfacher und billiger organisieren - und den jeweiligen Fraktionschefs oder den parlamentarischen Geschäftsführern ein Depotstimmrecht geben.

Das Rederecht ist Kern des verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten. Er darf, so hat es das Verfassungsgericht schon 1959 festgestellt, notfalls auch gegen den Willen seiner Fraktionsfreunde reden. Man sollte den Satz ganz groß über den Eingang des Bundestags schreiben: Parlamentarier heißen so, weil sie reden dürfen.

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