TV-Kritik: "Promi-Dinner":Wie die wilde Hagebutte flirtet

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Promi-Dinner mit Mirjam Müntefering als Märchentante und lauter Helden der Vergangenheit - so macht sich Vox das Leben schön.

Laura Neuhaus

In Fernsehformaten, die zur Selbstdarstellung von Prominenten gemacht sind, fällt auf, dass dort oft nicht die größten Berühmtheiten zu sehen sind, sondern eher "Promis" der Handelsklasse C oder D. In der aktuellen Folge von Das perfekte Promi-Dinner auf Vox war das anders - zumindest versprach der Name einer Kandidatin, dass es etwas interessanter werden könnte: Mirjam Müntefering.

"Reicht es nicht, einen einfachen Sekt zu trinken?": Technoproduzent Frank Tomiczek, DSDS-Sternchen Anna-Maria Zimmermann, Politikertochter Mirjam Müntefering und Schauspieler Jochen Schroeder (von links) (Foto: Foto: VOX)

"Der Nachname sagt mir was." Das erklärt Technoproduzent Frank Tomiczek , einer der vier Kandidaten des Promi-Dinners. Zögernd fügt er hinzu: "Sie ist die Tochter vom Franz Müntefering." Den kahlköpfigen Tomiczek alias DJ Da Hool muss man hingegen nicht unbedingt kennen. Mit Meet Her at the Love Parade hatte er 1997 einen Top-Ten-Hit, was aber schon ziemlich lange her ist. Damals war SPD-Mann Franz Müntefering kurz davor, in der Bonner "Baracke" den Wahlsieg Gerhard Schröders zu befördern.

Wenn Tomiczek beim Zubereiten seiner gefüllten Pilzköpfe versucht, sich als Promi darzustellen, erwähnt der 41-Jährige die vielen Reisen durch die Clubs der Nachtwelt unmittelbar nach seinem Hit.

Mutter Münteferings Traum-Schwiegersohn

Das DSDS-Sternchen Anna-Maria Zimmermann wiederum singt auf Vox die Melodie von Tomiczeks Techno-Hit mit großer Freude vor. Da merkt man, dass die 21-Jährige sich auf ihren Auftritt in der Sendung vorbereitet hat. Ihre letzten Fernsehauftritte liegen auch schon eine Weile zurück. In der dritten Staffel von Deutschland sucht den Superstar hatte sie es 2006 unter die letzten sechs Kandidaten geschafft. Seither heizt sie mit Schlagern die Ballermannpartys auf Mallorca ein.

Dritter im Bunde ist der Schauspieler Jochen Schroeder. In der Schwarzwaldklinik des ZDF spielte er einst den Zivildienstleistenden Mischa. Aber das liegt jetzt ebenfalls schon lange zurück. "Ich glaube, meine Mutter hätte ihn immer gerne als Schwiegersohn gehabt", gibt Mirjam Müntefering zu, der Star dieses Fernsehabends.

Höchstens unbedeutende Anekdoten wie diese - ansonsten verrät die 41-Jährige nicht viel Privates. "Ich bin halt noch immer die Kleine vom Franz", sagt sie. Schon in ihrer Autobiographie Tochter und vielmehr. Eine Autobiographische Reise (2008) versuchte sie, aus dem Schatten des großen Politiker-Vaters zu treten. Als lesbische Buchautorin mit eigener Hundeschule ist sie aber auch ohne die SPD-Connection die interessanteste von allen Promi-Dinner-Kandidaten.

Das Essen in ihrem Bauernhaus am Rande der westfälischen Stadt Hattingen inszeniert Mirjam Müntefering ganz im Zeichen ihres literarischen Schaffens. Das Märchen-Menü wird poetisch umschrieben. Hinter "Wilde Hagebutte flirtet mit adeligem Erdapfel" verbirgt sich Reh mit Herzoginnen-Kartoffeln und Hagebutten-Sauce. Vor jedem Gang trägt sie eine kurze selbstgeschriebene Passage vor, in denen die anderen Kandidaten treffend ihr Fett wegbekommen. So verwandelt sich Ex-RTL-Sternchen Zimmermann in Münteferings Märchen in ein süßes Mascarponecrémchen und Fast-Schwiegersohn Schroeder in einen bodenständigen Apfel. Kreativität, die mit Sympathie-Punkten belohnt wird.

Etwas übertrieben erscheint hingegen Münteferings Selbstinszenierung vor der Kamera. Nachdem ihr penibel geschriebener Ablaufplan mit den Vorbereitungen abgearbeitet ist ("Ich bin eben so eine Beamtenseele") und die Gäste noch auf sich warten lassen, erklärt sie, wie man sich die Wartezeit vertreiben könnte: ein bisschen Yoga oder Meditation oder vielleicht doch ein kleiner Waldspaziergang. Ganz die emanzipierte Frau über 40, die mit sich selbst im Reinen ist.

"Kükenbonus" für die Sängerin

Einen wunderbaren Gegenpol liefert dazu die junge DSDS-Sängerin Zimmermann. Der 21-Jährigen ist das Essen der anderen einfach zu scharf gewürzt. Bei Jochen Schroeders Hauptgang auf der Bühne seines Boulevardtheater Comödie in Bochum mischen verkleidete Schauspieler das Essen auf - Zimmermann reagiert schreckhaft, fast hysterisch. Dass sie darauf besteht, den Platz mit DJ Da Hool zu tauschen, gefällt wiederum Mirjam Müntefering nicht. Jetzt sitzt sie im roten Kostüm neben dem DJ in Violett.

Abgesehen davon beeindruckt Zimmermann, der Mirjam Müntefering im Vorhinein einen "Kükenbonus" gegeben hätte, tatsächlich durch ihre Kochkünste. Seeteufel auf Birnenrisotto bereitet sie genauso professionell zu wie die getrüffelte Kartoffelsuppe. Auch wenn die Politikertochter Müntefering bemerkt: "Trüffel bräuchte ich da jetzt nicht. Vielleicht bin ich eher so der Hausmannskost-Typ."

Anna-Maria Zimmermann als fähige junge Frau, die zwar noch im Haus ihrer Eltern wohnt, aber dort die Wände mit selbstbemalten Leinwänden behängt - das ist ein Bild, das sie nicht ganz überzeugend zeichnet. Denn die Frage, warum sie zur Zeit auf dem Ballermann arbeitet, weiß sie nicht ganz schlüssig zu beantworten. Viel besser in ihre Inszenierung als Popsternchen passt da die Fanpost, die die anderen Köche auf der obligatorischen Schnüffelrunde durch ihre Wohnung begutachten.

Auch in Münteferings Bauernhaus wird der Voyeurismus der Zuschauer bedient - es gibt eine Tour durch die Gemächer. Ganz zufällig findet Frank Tomiczek jenes Hochzeitskleid, das Müntefering im Mai 2009 bei der Trauung mit Freundin Sabine trug. Und Anna-Maria Zimmermann stößt auf ein Foto von der Hochzeitsfeier: Mirjam Müntefering im Hochzeitskleid mit roter Clownsnase, ihr gegenüber Vater Franz Müntefering - Papa und Tochter lächeln sich glücklich an.

Jochen Schroeder wagte sich in der Kochrunde auch mal an knifflige Fragen. So wollte er vom Techno-DJ wissen: "Wie ist das eigentlich bei euch in der Techno-Szene mit Drogen und Exzessen?" Wie zu erwarten, antwortet Tomiczek ausweichend. Seine Selbstdarstellung als netter, hart arbeitender Produzent, der gerne abends vor dem Fernseher Schokolade isst und seine Küche im Schalke-Blau eingerichtet hat, könnte flöten gehen.

Schlecht weggekommen war der DJ ja bereits, als er Mirjam Müntefering Bier über die weiße Bluse gekippt hatte. Hier hatte Ex-ZDF-Schauspieler Schroeder den Kommentar geliefert, das sei wohl Absicht gewesen - der DJ habe nur sehen wollen, ob die Bluse von Mirjam durchsichtig wird. Der amtierende Theaterleiter wollte bei Vox die Rolle des ewig krittelnden, ironischen Gasts spielen: "Reicht es nicht, einen einfachen Sekt zu trinken? Muss man den immer modistisch aufpunschen?", fragte er einmal.

Mit solchen Fragen des Lebens schleicht ein Promi-Dinner-Abend dahin. Gewonnen hat übrigens Anna-Maria Zimmermann. Da war selbst die Poetin Mirjam Müntefering, die mit der flirtenden Hagebutte, chancenlos.

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