Tag der Pressefreiheit:Antrieb für Veränderung

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Negativbeispiel Ungarn: Harte Einschnitte im Presserecht hat das Land im vergangenen Jahr erfahren. Doch auch in Deutschland steht es nicht zum Besten mit der Freiheit der Medien.

Maria Fiedler

Am internationalen Tag der Pressefreiheit schaut ganz Europa nach Ungarn, wo derzeit die Freiheit der Medien stark eingeschränkt ist. Doch auch Deutschland ist in Sachen Pressefreiheit nicht so vorbildlich, wie manche glauben.

Aktion zum Tag der Pressefreiheit: 'Reporter Ohne Grenzen' haben an die Fassade der Syrischen Botschaft in Berlin ein Bild des Präsidenten Baschar al-Assad und die Zeile "Einer von 38 Feinden der Pressefreiheit 2011"projiziert. (Foto: dapd)

Januar 2011: Zu seiner Antrittsrede der EU-Ratspräsidentschaft erwartet den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ein eisiges Empfangskomitee. Die grünen Abgeordneten im EU-Parlament stehen stumm in ihren Reihen und halten Schilder in der Hand, auf denen "zensiert" steht. Einige haben sich silbernes Klebeband über den Mund geklebt. Sie protestieren gegen das neue Mediengesetz für Ungarn, dessen Inkrafttreten mit dem Beginn der Ratspräsidentschaft Ungarns zusammenfällt und europaweit kritisiert wird.

In seiner ursprünglichen Form schränkte das ungarische Mediengesetz die Pressefreiheit nicht nur ein, es schaffte sie regelrecht ab. Mit dem Gesetz wollte Regierungschef Viktor Orbán ein Kontrollsystem etablieren, das mit europäischen Werten nichts mehr zu tun hat. Ein fünfköpfiger Medienrat sollte zukünftig unter der Führung eines langjährigen Vertrauten Orbáns Bußgelder bis zu 730.000 Euro verhängen können, wenn ein Medium nicht "ausgewogen" berichtet. Wobei die Definition von "ausgewogen" dem Medienrat überlassen werden sollte. Zudem sollten Medien, die über "Fragen der nationalen Sicherheit" berichten, ihre Quellen offenlegen.

Nachdem die EU sich vehement gegen das Gesetz ausgesprochen hatte, kamen schließlich noch einige Änderungen zu Stande, die viele Presse-Organisationen als keineswegs ausreichend betrachten. Deshalb beschloss das Europaparlament eine Resolution, in der die Abgeordneten eine weitere Prüfung und Überarbeitung forderten. Sie appellierten an die ungarische Regierung, die Unabhängigkeit der Medienverwaltung wiederherzustellen und die Einmischung des Staates in die Freiheit der Meinungsäußerung zu unterlassen. Vor allem kritisierten viele Abgeordnete die übermächtige Medienaufsichtsbehörde, die politisch sehr einseitig besetzt ist. Der Blick nach Ungarn ist also düster.

Doch auch in Deutschland wird die Pressefreiheit beschnitten. Das zeigt schon allein ein Ranking der Organisation "Reporter ohne Grenzen", bei dem Deutschland im Jahr 2010 nur auf dem Rang 17 landete. Besonders kritisiert werden von der Organisation Redaktionszusammenlegungen und Stellenstreichungen, die dazu führen, dass Journalisten zunehmend unter Zeitdruck stehen und für ausführliche oder gar investigative Recherchen oft keine Zeit bleibt. Auch der Zugang zu Behördeninformationen sei unzureichend, erklärte die Organisation.

In Deutschland gibt es zwar seit 2006 das Informationsfreiheitsgesetz, das es Pressevertretern ermöglicht, bei Bundesbehörden Informationen anzufordern und auch Akteneinsicht zu bekommen. Das Gesetz ist aber mit zahlreichen Ausnahmen gespickt, die Behörden heranziehen können, um die Auskunft zu verweigern. Über schwebende Verfahren müssen grundsätzlich keine Informationen erteilt werden, genauso wenig über Sachverhalte deren Bekanntwerden Belange der öffentlichen Sicherheit gefährdet oder sich negativ auf internationale Beziehungen auswirkt. So wurden im Jahr 2008 von 1.500 Informations-Anfragen gut 500 sofort abgelehnt.

Was aber vor allem von Medienvertretern kritisiert wird, ist der mangelhafte Informantenschutz in Deutschland. Wenn Journalisten überwacht und abgehört werden, wenn ihre Wohnungen und Redd ihre Unterlagen beschlagnahmt werden - und das alles im Zeichen der Verbrechensaufklärung geschieht, dann können Informanten nicht mehr sicher sein, dass ihre Identität geschützt bleibt. Gerade das ist aber wichtig, damit Journalisten auch noch in Zukunft vertrauliche Informationen und Dokumente zugespielt bekommen und so Skandale aufdecken und auf Missstände aufmerksam machen können.

Nur wenn das geschieht, kann die Presse eine ihrer wichtigsten Aufgaben wahrnahmen, nämlich Antrieb für Veränderungen sein. Nur, wenn sich der Staat nicht mit Verweis auf die öffentliche Sicherheit in die Freiheit der Medieneinsetzt, kann die Presse als Motor für die Demokratie dienen.

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