Satire "The Samaritans" als Mini-Serie:Nashörner für Nashörner

Satire "The Samaritans" als Mini-Serie: Gruppenbild mit Gutmenschen: das Ensemble von The Samaritans um Hauptdarsteller Liam Acton (vorne r.) - der selbst mal eine NGO leitete.

Gruppenbild mit Gutmenschen: das Ensemble von The Samaritans um Hauptdarsteller Liam Acton (vorne r.) - der selbst mal eine NGO leitete.

(Foto: Xeinium Productions)

Wild gemusterte Walla-Walla-Kleidung, nackte Bäuche und große Kinderaugen - die TV-Satire "The Samaritans" macht sich über Klischees der weißen Weltverbesserer in Afrika her. In Kenia ist die Serie der Renner, in den USA und Europa läuft sie auf Festivals. Mit gutem Grund.

Von Nadia Pantel

Vor lauter Political Correctness darf man keinen Spaß mehr haben. Das bejammern gern Menschen, denen der Humor ausgeht, sobald die Hauptfiguren ihrer Witze nicht mehr blonde Frauen, Leprakranke oder Türken sein dürfen. Die Debatte darüber ist inzwischen genauso öde, wie die dazugehörigen Witze. Was da dringend nötig ist, sind neue Leute, die neue Witze machen. Und endlich! Die kenianische Mini-Serie The Samaritans (Die Samariter) ist die erste TV-Produktion, die sich über die Leute lustig macht, die immer recht haben: Elitäre Hochschulabsolventen, die glauben, sie könnten die Welt retten. Nicht, indem sie brav ihre Steuern zahlen oder den Müll trennen, sondern indem sie sich als Entwicklungshelfer um den Globus fliegen lassen.

Von The Samaritans gibt es bislang nur zwei Folgen, doch die bringen die Verlogenheit, die in vielen Bereichen der Hilfsindustrie vorherrscht, ziemlich gut auf den Punkt. Die Serie spielt in einer NGO, einer Nichtregierungsorganisation, in Nairobi, die sich "Aid for Aid", also "Hilfe zur Hilfe" nennt. So unklar der Name, so unklar ihre Tätigkeit. Das hält den neuen Chef Scott, frisch eingetroffen aus den USA, nicht davon ab, gleich an seinem ersten Arbeitstag mit vollem Pathos auszuholen: "Wir werden Afrika verändern. Wir werden für ein wenig Freude sorgen, wo sonst nur Verzweiflung herrscht." Die vormalige Chefin, die sich anders als Scott nicht erst zwei Tage in Kenia aufhält, sondern vor 40 Jahren dort geboren wurde, stürmt mitten in der Rede aus dem Zimmer: "Ich habe keine Zeit für so was, ich muss arbeiten."

Wenig reale Arbeit

Als erste Maßnahme verteilt Scott Scrabblesteine an seine Mitarbeiter. Sie sollen sich gute Abkürzungen für neue Projekte ausdenken, denn "mit der richtigen Abkürzung sind die Fördergelder fast schon sicher". Es wird zwei Nächte durchgesoffen, in verschiedenen Konstellationen angebandelt, und Scott begleitet all das mit Anführer-Tourette: "Kapazität! Visionen! Hoffnung! Ermächtigung!" Am Ende legen sie die Buchstaben F, E, E und D aneinander: "Food efficiency and economic development". Scott freut sich. "Feed! Da können wir das Programm gut dran anpassen." Irgendwas mit Ernährung und wirtschaftlicher Entwicklung: Das passt gut zu dem vagen Versprechen "Rettet Afrika".

Ausgedacht hat sich The Samaritans der kenianische Filmemacher Hussein Kurji mit seiner Produktionsfirma Xeinium. In einer der mehr als 4000 NGOs, die heute in Kenia registriert sind, hat er zwar nie gearbeitet, aber genug seiner Freunde mischen mit im Weltverbesserungs-Geschäft. Sie erzählen Skurriles aus einer Welt, in der zwischen dem Verfassen von Projektanträgen und Fortschrittsberichten wenig reale Arbeit erledigt wird und in der viel über Gerechtigkeit geredet wird und oft doch die Herkunft und die Hautfarbe darüber entscheiden, welchen Platz jemand in der Hierarchie einnimmt.

Eine Welt, in der junge Akademiker aus den USA und Europa ohne jegliche Berufserfahrung Chefposten übernehmen. Genau so einen Typen spielt Liam Acton als Scott. Der Engländer lebt seit Jahren in Kenia und kennt das Milieu, das er parodiert: Er hat mal eine NGO geleitet.

Als Produzent Kurji auf der Suche war nach Stoff für eine neue Comedy-Serie schien die NGO-Welt das ideale Setting für eine kenianische Version von The Office. Genau wie die deutsche The Office-Adaption Stromberg spielt auch The Samaritans mit einer pseudo-dokumentarischen Optik und mit Einspielern, in denen die einzelnen Charaktere Kurzinterviews direkt in die Kamera sprechen.

Unterstützung von realer NGO

Finanziert hat Kurji die ersten zwei Folgen der Serie mit einer Kickstarter-Kampagne. Der Trailer von The Samaritans war ein paar Wochen lang das meistgeklickte Youtube-Video Kenias. Im Februar dieses Jahres feierten die fertigen Folgen Premiere in Nairobi. Inzwischen lief das Format auch auf Filmfestivals in New York und Rom. Gegen eine Spende kann man die Videos online auf der Seite der imaginären NGO "Aid for Aid" anschauen. Zusätzlich unterstützt wird das Ganze zudem von einer realen NGO.

Eine NGO-Parodie, unterstützt von einer NGO? Letztlich kein großer Widerspruch. Denn natürlich richtet sich die Sendung nicht pauschal gegen Menschen, die sich jenseits staatlicher Strukturen für mehr Transparenz, Ökologie oder Bildung einsetzen. Sie richtet sich gegen die Weiterverbreitung eines Weltbilds, das Afrika behandelt, als sei es ein Land und kein Kontinent. Und gegen ein Weltbild, das unter der Prämisse, Gutes zu tun, die immergleichen Vorurteile zementiert.

Große Kinderaugen funktionieren am besten

In der Pilot-Folge von The Samaritans dreht eine der kenianischen NGO-Mitarbeiterinnen einen Werbespot für "Aid for Aid". Für den Clip tauscht sie ihren Hosenanzug gegen wild gemusterte Walla-Walla-Kleidung und lässt Reis durch ihre Hand rieseln. Der Mann, der im Hintergrund seine Muskeln spielen lässt, ist "ein schwarzer Typ, direkt eingeflogen aus Los Angeles". Die gecasteten echten Kenianer sahen "irgendwie nicht richtig" aus. "Richtig" bedeutet: auch für kolonial geprägte europäische Finanziers leicht verständlich. Da funktionieren nackte Bäuche und große Kinderaugen einfach am besten. So wie sie auf den Postern in den Büroräumen von "Aid for Aid" zu sehen sind.

The Samaritans ist nicht die erste Satire, die sich über weißen Weltrettungs-Aktionismus lustig macht. 2012 kam kurz vor Weihnachten ein Musikvideo der Kampagne "Radi-Aid" heraus. "Die Zeiten haben sich geändert, wir als Afrikaner müssen nun Norwegen unterstützen", sagen afrikanische Popstars im Refrain. Dazu wurden Bilder gezeigt, wie Menschen ihre Heizkörper spenden, damit in Norwegen niemand mehr frieren muss. Ästhetisch war der Clip an den Bob-Geldolf-Weihnachts-Hit von 1984 angelehnt. "Do they know it's Christmas", fragten weiße Popstars damals in Richtung Äthiopien.

Große Summen für Prestigeprojekte

Dass den Äthiopiern als einer der ältesten christlichen Nationen der Erde durchaus bewusst war, dass Weihnachten war - wenig erheblich. Dass mit den Millionen Dollar Spendengeldern, die durch den Popsong eingesammelt wurden, nicht nur die äthiopische Ernährungskrise gemildert, sondern am Ende auch ein despotisches Regime gestützt wurde, schien auch wenig erheblich. Aktionen wie diese, in denen mit wenig Ortskenntnis große Summen in Prestigeprojekte gepumpt werden, haben verschiedene afrikanische Ökonomen dazu gebracht, zu fordern, Hilfsprogramme einzudämmen.

Doch während "Radi-Aid" von norwegischen Studenten erdacht wurde, kommt The Samaritans eben aus Kenia. Hussein Kurji verfolgt damit keine politische Agenda. Er freut sich einfach, dass es tatsächlich NGOs gibt, die zum Schutz der Nashörner die Teilnahme an einer Nashornjagd versteigern. So in Namibia geschehen und natürlich bestes Comedy-Material.

Gerechtigkeit bedeutet auch, dass nicht immer die gleichen Menschen die gleichen Witze machen.

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