Peter Thiel vs. Gawker:Das Klatschportal und der Zorn des Milliardärs

140 Millionen Dollar soll Gawker wegen Hulk Hogans Sex-Video zahlen. Dahinter steckt ein Feldzug gegen eine der bösesten Seiten des Netzes.

Von Kathleen Hildebrand

Was ist das für eine Nachrichtenseite, für die jemand bereit ist, viele Millionen Dollar auszugeben. Nicht, um sie zu kaufen. Sondern allein, um sie zu zerstören?

Gawker muss nun voraussichtlich 140 Millionen Dollar Entschädigung an Hulk Hogan zahlen, das hat ein Gericht in Florida entschieden. Der Klatschblog hatte Schnipsel aus einem Video veröffentlicht, das den Wrestling-Star Hulk Hogan beim Sex mit der Ehefrau seines besten Freundes zeigt. Dass es zu diesem Urteil kommen konnte, wird auch an dem sehr teuren Anwalt gelegen haben, den Hogan engagiert hatte. Und den nicht er bezahlt, sondern der Milliardär Peter Thiel, der als Mitgründer des Online-Bezahldienstes PayPal reich geworden ist. Thiel hat diese Woche zugegeben, dass er seit Jahren eine Art Feldzug gegen Gawker plant. Den Hogan-Prozess zu finanzieren, gehörte dazu. Gawkers Schicksal könnte wegen der gewaltigen Entschädigungssumme besiegelt sein.

2002 wurde Gawker von dem britischen Journalisten und Oxford-Absolventen Nick Denton und der amerikanischen Journalistin Elizabeth Spiers gegründet. Denton gehört das Medienunternehmen Gawker Media noch immer, Spiers verließ Gawker kurz nach der Gründung. Das Unternehmen wuchs, mittlerweile gehören mehrere Tochterseiten zu Dentons Imperium - der Design- und Technikblog Gizmodo, die Sportseite Deadspin, der an Frauen gerichtete Blog Jezebel, die Videospiel-Seite Kotaku, der Auto-Blog Jalopnik and Lifehacker, wo über Software geschrieben wird .

Gawker ist berüchtigt für seinen klickträchtigen, nach Aufmerksamkeit heischenden Gerüchte-Journalismus. Als fieses, aber erfolgreiches Kind des Internets, dem es nicht so sehr darauf ankommt, ob die Geschichten, die es vermeldet, wasserdicht recherchiert sind. Und das sich wenig darum schert, ob seine Enthüllungen die Privatsphäre von Filmstars, Politikern und Unternehmern verletzen. Gawkers Devise: Was geklickt wird, wird auch gemacht.

Was bei Gawker bisher gemacht wurde, betraf Peter Thiel persönlich: 2007 wurde er von einer Gawker-Tochterseite als schwul geoutet, bevor er selbst mit seiner sexuellen Orientierung an die Öffentlichkeit gehen wollte. "Peter Thiel is totally gay, people" lautete die Überschrift bei "Valleywag", einem Gerüchteblog über das Silicon Valley, das mittlerweile in der Gawker-Webseite aufgegangen ist.

Gawker ist eine der ersten Klatschseiten, die sich nicht nur den großen Namen aus New York City, Washington, D.C. und Los Angeles widmet, sondern auch die Technologie-Industrie beobachtet. Als der Internet-Unternehmer Sean Parker 2013 eine extrem aufwendige und teure Hochzeit im Stil der Fantasy-Serie "Game of Thrones" feierte - und dabei auf nicht genehmigte Weise in ein geschütztes Waldstück eingriff - berichtete Valleywag darüber groß und spöttisch.

Das Silicon Valley hat noch keine dicke Haut

Nick Denton wurde diese Woche gefragt, was er für den Grund dafür halte, dass Gawker ausgerechnet mit Geld aus dem Silicon Valley in Bedrängnis gebracht werde. Er sagte, dass die Superreichen und Mächtigen dort noch nicht die dicke Haut gegenüber kritischer Medienberichterstattung entwickelt hätten, die ähnlich mächtige Menschen in den anderen gesellschaftlichen Zentren der USA besäßen. Reichtum und Macht in der Tech-Industrie zu zeigen, sei ein relativ junges Phänomen.

Zu den Geschichten, die Gawkers Ruf als Klatschportal begründet haben, zählten auch ein Video, in dem Tom Cruise Werbung für Scientology macht; private, von Hackern gestohlene Emails der damaligen Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin und ein anonymer Artikel über eine Nacht, die der Autor mit der amerikanischen Politikerin Christine O'Donnell verbracht hatte. Im Jahr 2006 brachte die Seite Gawker "Stalker" auf den Weg: Über den Dienst konnten Nutzer Orte in New York City melden, an denen sie einen Prominenten gesehen hatten. Eine gefährliche Hilfe für echte Stalker, lautete die Kritik. Mittlerweile ist der Dienst nicht mehr verfügbar.

2015 ging Gawker zu weit - vor allem vor dem Hintergrund des bereits laufenden, teuren Hulk-Hogan-Prozesses: Ein Artikel über einen verheirateten Manager des Condé Nast-Verlags, laut dem der sich mit einem männlichen Pornofilm-Darsteller zum bezahlten Sex verabredet hatte, wurde kurz nach Veröffentlichung wieder von der Seite entfernt - auf Beschluss des Managements von Gawker und nicht etwa, weil die Redaktion sich dafür entschieden hätte. Zwei leitende Redakteure verließen das Unternehmen daraufhin aus Protest.

Die jüngsten Gerüchte betreffen Gawker selbst. Laut New York Post sucht Nick Denton nach einem Käufer für sein Portal. Die Kosten des Hogan-Prozesses könnten nur durch den Verkauf des Unternehmens beglichen werden. Es sieht aus, als sei die Machtdemonstration des Silicon Valley vorerst erfolgreich gewesen.

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