Murdoch und "News of the World":Groteske Pointe

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Das Telefonhacking in Zusammenhang mit dem eingestellten Skandalblatt "News of the World" treibt immer bizarrere Blüten. Die Pointe im nun bekannt werdenden Fall: Womöglich hat die Zeitung indirekt ihren damaligen Chefredakteur Andy Coulson abgehört.

Christian Zaschke, London

Der britische Abhörskandal ist in diesen Tagen immer für eine neue, absurde Wendung gut. Am Mittwoch wurde bekannt, dass die Polizei ermittelt, ob das Telefon einer engen Mitarbeiterin des früheren Innenministers Charles Clarke im Jahr 2006 von Angestellten des inzwischen eingestellten Boulevardblatts News of the World (NotW) abgehört wurde. Das wäre nur wenig überraschend, da die Zeitung jahrelang Hunderte Telefone gehackt hat. In diesem Fall ergäbe sich allerdings die groteske Pointe, dass die Zeitung auch Nachrichten abgehört hätte, die ihr eigener Chefredakteur auf der Mailbox der Mitarbeiterin hinterließ.

Andy Coulson - einst Chefredakteur von News of the World - könnte auf Umwegen selbst Opfer der Praktiken geworden sein, die unter seiner Leitung bei der NotW weit verbreitet waren. (Foto: dpa)

NotW-Chef war damals Andy Coulson, der wenig später Sprecher des damaligen Oppositionsführers David Cameron wurde, des heutigen Premierministers. Wegen des Abhörskandals musste Coulson seinen Posten bei der Konservativen Partei Anfang 2011 räumen. Auf Umwegen wäre Coulson, so vermutet nun die Polizei, also Opfer der Praktiken geworden, die unter seiner Leitung bei der NotW weit verbreitet waren. Er bestreitet, etwas vom illegalen Abhören von Telefonen gewusst zu haben.

Zudem wurde bekannt, dass die NotW den Parlamentsabgeordneten Tom Watson im Jahr 2009 mehrere Tage beschatten ließ. Der Labour-Politiker ist einer der schärfsten Kritiker der Blätter des Medienunternehmers Rupert Murdoch, zu denen nach Einstellung der NotW noch die Sun, die Times und die Sunday Times gehören. Watson gehört zum parlamentarischen Untersuchungsausschuss für Kultur und Medien, der Murdoch vor wenigen Wochen in einem umstrittenen Statement bescheinigte, er sei "nicht geeignet", ein großes Unternehmen zu führen.

Initiiert hatte die Beschattung Watsons der damalige NotW-Undercover-Reporter Mazher Mahmood. In E-Mails, die dem Medien-Ausschuss vorliegen, hatte Mahmood zwei Vorgesetzten 2009 berichtet, er habe einen Tipp erhalten, dass Watson eine Affäre mit einer Kollegin unterhalte. Während des Labour-Parteitags 2009 in Brighton setzte er deshalb mit Zustimmung seiner Vorgesetzten einen Privatdetektiv auf Watson an. Der vermeintliche Tipp war offenbar substanzlos, Watson unterhielt keine Affäre.

Für den Murdoch-Konzern sind diese Erkenntnisse über die Arbeitsweise der NotW im Allgemeinen und von Mahmood im Besonderen erneut schlechte Nachrichten: Nach Einstellung der NotW ist Mahmood von der im Grundsatz seriösen Sunday Times angeheuert worden. Er arbeitet dort weiterhin als Undercover-Reporter, insbesondere als sogenannter "falscher Scheich", der Prominente hinters Licht führt, hat er sich einen Namen gemacht. Die Sunday Times hat sich bisher nicht dazu geäußert, ob die neuen Erkenntnisse Konsequenzen für Mazher Mahmood haben werden.

© SZ vom 24.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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