Murdoch droht Klage in den USA:Frontalangriff auf das Herzstück

Bislang war der Skandal um die Abhörpraktiken der Murdoch-Medien auf Großbritannien begrenzt. Doch nun droht ein Londoner Anwalt dem Weltkonzern auch in den USA mit Klage - hier gehören unter anderem das Wall Street Journal und Fox News zum Imperium. Deren Einfluss ist vielen schon länger nicht geheuer.

Reymer Klüver, Washington

Der britische Hacking-Skandal droht den Medienunternehmer Rupert Murdoch nun auch in den USA einzuholen. Der Londoner Anwalt Mark Lewis, der eine zentrale Rolle bei der Aufdeckung des Skandals gespielt hat, kündigte an, dass er im Namen dreier Klienten Murdochs Medienholding News Corp in den USA verklagen will. Dazu reist Lewis kommende Woche nach New York. Es wäre das erste Mal, dass wegen des Skandals juristische Schritte außerhalb Großbritanniens eingeleitet würden - ein Frontalangriff auf das Herzstück des weltumspannenden Murdoch-Imperiums.

Murdoch eilt 'The Sun' zu Hilfe

Seit Monaten in der Defensive: Rupert Murdoch wird von den Praktiken von News Corp eingeholt.

(Foto: dpa)

Der alternde Unternehmer hält die ausschlaggebenden Stimmrechte an News Corp, der Holding, zu der sowohl die in den Skandal verwickelten britischen Blätter gehören als auch in den USA hocheinflussreiche Medien. Dazu zählen Fox News, der mit Abstand erfolgreichste Kabelsender Amerikas, das angesehene Wall Street Journal, die auflagenstärkste Zeitung der USA, und Twentieth Century Fox, eines der großen Filmstudios Hollywood. Hinzu kommen das Boulevardblatt New York Post und eine Reihe kleinerer Zeitungen.

Der Skandal hatte sich bisher auf Großbritannien beschränkt und zuletzt Murdochs Sohn und bislang designierten Kronprinzen, James Murdoch, den Job als Chef des britischen Ablegers der Unternehmungen gekostet. Er ist inzwischen von London nach New York zurückgekehrt. Berichten der BBC und des britischen Guardian zufolge könnten Journalisten des Murdoch-Blattes News of the World im Laufe von Jahren bis zu 6000 Telefone oder Anrufbeantworter gehackt haben, darunter angeblich auch Telefone der Labour-Premiers Tony Blair und Gordon Brown und der königlichen Familie.

Auch die Telefone britischer Opfer der Anschläge von 9/11 und gefallener britischer Soldaten waren offenbar Ziel der Murdoch-Hacker sowie das Handy der 13-Jährigen Milly Dowler, die 2002 Opfer eines Sexualmordes wurde. Scotland Yard führt zur Zeit noch drei Ermittlungsverfahren, das britische Unterhaus lud Vater und Sohn Murdoch vor. Bisher musste News International, der britische Ableger, bereits Millionen an Entschädigung zahlen. Im Juli 2011 machte Murdoch News of the World kurzerhand dicht und musste die geplante Übernahme des Senders BskyB zurückziehen.

Der Londoner Anwalt Lewis hat bereits mehrere Opfer des Hacking-Skandals vertreten, unter ihnen auch die Familie Milly Dowlers - an diesem Freitag gab er zudem bekannt, nun auch die seriöse Times wegen mutmaßlich gehackter E-Mails zu verklagen. In einem Interview mit der BBC sagte er in dieser Woche, dass der Skandal keineswegs auf Großbritannien und die britischen Ableger des Murdoch-Medienkonglomerats beschränkt sei. "Das erstreckt sich auch auf das Kernstück von News Corp." Er wolle die Verstrickung der New Yorker Konzernmutter in die Affäre untersuchen. "Das ist etwas, das von den Investoren und Anteilseignern von News Corp vielleicht etwas ernster genommen wird." Lewis sagte, dass er drei Klienten vertrete, von denen offenbar zumindest einer amerikanischer Staatsbürger ist. Andere seien in Amerika gewesen, entweder auf Reisen oder während eines längerfristigen Aufenthalts, als ihre Telefone gehackt wurden.

Schadenfreude, zu dick für eine Kettensäge?

Es gebe möglicherweise noch weitere Fälle. Lewis will in den USA mit dem New Yorker Anwalt Norman Siegel zusammenarbeiten, einem früheren Chef der einflussreichen und streitbaren Bürgerrechtsorganisation ACLU.

Lewis ließ offen, welche rechtlichen Schritte er einleiten wollte. Es könnte sich, wie in Großbritannien, um Schadensersatz handeln. Schadensersatzsummen sind in den USA in vielen Fällen deutlich höher als in Europa. Wenn die Telefone tatsächlich gehackt wurden, während ein Gesprächspartner sich in den USA aufhielt, wäre das aber auch eine Verletzung der amerikanischen Telekommunikationsgesetze.

Heuchlerische Empörung, politisch motiviert?

Unabhängig davon gibt es im Zusammenhang mit der Affäre bereits seit längerem Ermittlungen in den USA. Sie haben allerdings bisher noch zu keinem Ergebnis geführt. So hat das FBI im Juli 2011 ein Ermittlungsverfahren in der Hacking-Affäre eröffnet. Untersuchen dürften die US-Behörden auch, ob News Corp oder Manager des Unternehmens gegen amerikanische Anti-Korruptionsgesetze verstoßen haben. Die stellen Bestechungsversuche von US-Unternehmen auch im Ausland unter Strafe.

Der Vorstoß von Mark Lewis dürfte die politische Debatte über die Affäre und den Einfluss von News-Corp-Medien in den USA generell wieder beleben. Bereits im vorigen Sommer hatte der einflussreiche demokratische Senator John Rockefeller Ermittlungen von US-Behörden gegen Murdochs Konzern verlangt, "um sicherzustellen, dass das Recht von Amerikanern auf Schutz ihrer Privatsphäre nicht verletzt wurde". Der Senator von New Jersey, Robert Menendez, ebenfalls ein Demokrat, verlangte die Einschaltung der Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) und eine Untersuchung der Vorwürfe, dass Telefone von 9/11- Opfern gehackt wurden.

Die politische Empörung beschränkte sich indes nicht nur auf Demokraten, denen der Einfluss der konservativen Medien Murdochs wie Fox News oder Wall Street Journal nicht geheuer ist. Auch der konservative New Yorker Kongressabgeordnete Peter King, ein Republikaner, hatte das FBI brieflich zu einer Untersuchung der Hacking-Vorwürfe aufgefordert.

In diesem Zusammenhang könnte auch eine zurückliegende Affäre in den USA wieder ins Blickfeld rücken. Vor vier Jahren hatte der New Yorker Medienmanager Dan Cooper dem Chef von Fox News, Roger Ailes, vorgeworfen, seine Agentur unter Druck gesetzt zu haben, ihn als Kunden fallen zulassen. Cooper war ein Mitbegründer von Fox News, hatte sich aber im Streit getrennt und dem Stadtmagazin New York ein Interview dazu gegeben. Das war indes noch nicht veröffentlicht, als Fox-Mann Ailes angeblich Coopers Agentur unter Druck setzte. Cooper schloss daraus, dass seine Telefonate mit dem Magazin im sogenannten Brain Room von Fox News abgehört worden sein könnten. Der Brain Room verfügt nach Vorwürfen Coopers über Einrichtungen einer Abhörzentrale. Fox News wies die Vorwürfe damals kategorisch zurück.

Zudem hat eine Gruppe von Anteilseignern dem von Murdoch dominierten Vorstand von News Corp vorgeworfen, nichts unternommen zu haben, als die ersten Vorwürfe in dem Hacking-Skandal vor sechs Jahren auftauchten. Die Affäre sei "Teil eines breiten, langjährigen Musters von Korruption bei News Corp". Doch es gab auch Schützenhilfe für Murdoch. In einem Leitartikel einer führenden konservativen New Yorker Zeitung hieß es, dass die "moralische Entrüstung" über die Affäre heuchlerisch und nicht zuletzt politisch motiviert sei. "Die Schadenfreude ist so dick, dass man sie nicht einmal mit einer Kettensäge durchtrennen könnte." Die Zeitung war Murdochs Wall Street Journal.

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