Michael Jackson im TV:Ein Bild von einem Mann

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Jeder bastelt sich sein eigenes Bild des Mannes vom Mond: Zum ersten Todestag feiert das Fernsehen Superstar Michael Jackson und seine vergessenen Brüder.

Barbara Gärtner

Wer so gestorben ist, muss weiter leben, in Magazingeschichten, auf Tonträgern, auf Bettwäsche, auf T-Shirts und vor allem in Fernseherinnerungen. Michael Jackson wird also in den kommenden Tagen wieder gegenwärtig sein, denn an diesem Freitag ist es genau ein Jahr her, dass ein Notruf die Rettungsstelle in Los Angeles alarmierte und die Atemlosigkeit des Sängers übermittelte.

Michael in Öl, 1995 gemalt und goldumrahmt von Norman Oak. Wie der Künstler machen sich die Medien, macht sich die Öffentlichkeit ihr eigenes Bild des King of Pop. (Foto: ap)

Katastrophen begegnet das Fernsehen stets mit Endlosschleifen derselben Bildfolgen, und weil der Tod Michael Jacksons eine popkulturelle Katastrophe war, wurde der Zuschauer eben immer wieder mit den gleichen Draufhalte-Sequenzen drangsaliert: der abfahrende Krankenwagen, die untröstliche Tochter und dann der fiese, kalt lächelnd wegspazierende Doktor, der Narkosemittel spritzte. Dazwischen immer mal wieder Moonwalk.

Globales Geweine

Nun ist also ein Jahr rum, der Arzt steht vor Gericht, es gab Mord-Gerüchte und globales Geweine. Diese Monate haben die TV-Produzenten genutzt, um zu tun, was man mit Katastrophen fernsehformal tun muss: Sie setzten Menschen, meist grauhaarige betrübt dreinschauende Männer, vor brennende Kamine, opulente Bücherregale oder - weil Musiker - auch mal ins Studio. Dort darf dann treuherzig versichert werden, wie sehr sie sich damals gesorgt und gekümmert haben um Jacko, das ewige Kind, um Michael den Mega-Entertainer. Und das mit den Jungs, naja.

An Michael Jackson, dem Medien-Star, scheitern aber offensichtlich gerade die Medien. So wie es die Kameras in seinen letzten Lebensjahren kaum noch schafften, auf die Konturen dieses bizarren Gesichts scharf zu stellen - stattdessen wirkte sein Kopf stets wie ein hell leuchtendes Loch - so entschwindet auch sein Leben hinter der ewiggleichen Erzählung. Wenn die Biografie aus der ARD-Reihe "Legenden" an diesem Montagabend Thorsten Heinze zu Wort kommen ließ, einen Mann im Wander-Gitarristen-Outfit, über den die Bauchbinde auf dem Bildschirm verrät, dass er mit Jackson auf der Neverland-Ranch wohnte, dann wüsste man eigentlich gerne mehr über diesen seltsamen Typen, der da über das gebrochene Herz des Helden spricht. All diese Bauchbinden-Freunde - man traut ihnen einfach nicht.

Versehentliche Wahrhaftigkeit

Selbst das Reality-Format, dem zwischen perfekten und peinlichen Inszenierungen manchmal versehentlich Momente der Wahrhaftigkeit unterlaufen, gelingt in diesem Fall keine Annäherung. Als Michael Jackson zu atmen aufhörte, waren seine vergessenen Brüder gerade damit beschäftigt, zum 40-jährigen Geburtstag den Rest der Jackson Five als die Die Jacksons für eine TV-Soap zu reanimieren und haben ihre ungelenken Altmänner-Sing-und Tanzbemühungen von Kameras begleiten lassen. Der Bezahlsender Biography Channel zeigt die fünf Folgen nun jeweils sonntags, allerdings sind die Gesprächstherapien am Grill und Swimmingpool ziemlich öde. Michael Jackson taucht nur in Bewunderungsdeklarationen auf. Und als Toter.

Wie es tatsächlich um Jackson in seinen letzten Monaten stand, das kann trotz skandalisierenden Aufklärungsankündigungen keines der Porträts glaubhaft berichten. Auch nicht, ob seine geplante Londoner Tour zum Krächz-Comeback verkommen wäre, wie es nun Whitney Houston, der andere gefallene Achtziger-Star, tapfer vorführt. Der Musikfilm This Is It, den Pro Sieben an diesem Donnerstag zeigt, und der die Vorbereitungen für die Tournee in Los Angeles zusammenkomponiert, behauptet anderes. Da wirkt Michael Jackson zwar immer noch wie ein Außerirdischer, dem der Masterplan für die Selbstdarstellung entglitten ist, aber er singt, tanz, dirigiert - und das ist großartig.

Selbst wer von seinem "I love you all"-Gepiepse der letzten Jahre genervt war, muss bei This Is It schwer schlucken: Da triumphiert die Kunst über das Gerede.

Michael Jackson im Fernsehen: Die Jacksons, Biography Channel, jeweils sonntags um 20 Uhr. Pro Sieben bewirbt den 24. Juni als Michael Jackson Day und zeigt den großartigen Konzertfilm This Is it um 20.15 Uhr. Die ARD-Dokumentation Michael Jackson - Legenden, ist am 25. Juli, 20.15 Uhr, noch einmal bei 3sat zu sehen.

© SZ vom 24.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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