Leistungsschutzrecht und Google:Deutsche Verlage wollen französischen nicht folgen

In Frankreich wollen die Medienhäuser mit Google lieber gute Geschäfte machen als sich zu befehden. Ist solch geschäftlicher Pragmatismus auch in Deutschland denkbar? Die Zeitungsverleger beharren erst mal auf ihrer Forderung nach einem Leistungsschutzrecht.

Von Lutz Knappmann und Stefan Plöchinger

Ist Google Freund oder Feind der traditionellen Medienunternehmen? Seit Jahren streiten der Internetkonzern und die deutschen Verlage über ein Leistungsschutzrecht. In Frankreich haben die Zeitungshäuser diese Frage nach langem Konflikt jetzt überraschend pragmatisch beantwortet: Sie wollen mit Google gute Geschäfte machen statt einer politischen Dauerfehde. Es ist ein Deal mit Signalwirkung.

Die deutschen Verbände der Zeitungsverleger (BDZV) und Zeitschriftenverleger (VDZ) sehen darin dennoch kein Modell für Deutschland - weil es den Verzicht auf eine gesetzliche Lösung bedeutet, die auch andere Internetfirmen in die Pflicht nehmen würde. "Frankreichs Lösung ist eine Wette auf das Google-Monopol", erklärt Christoph Keese, Cheflobbyist bei Springer und prominentester Google-Kontrahent. Ein VDZ-Sprecher sagte zudem, der deutsche Plan für ein Leistungsschutzrecht sei besser und "passt eher in die liberale Tradition des Landes". Er sei "anders als der französische Interventionismus kein staatlicher Markteingriff".

Im Nachbarland hatte Google in letzter Minute einen Deal geschlossen - nach einer ultimativen Drohung von Staatspräsident François Hollande, eine eigene Version eines Leistungsschutzrechts einzuführen. 60 Millionen Euro sollen in einen Innovationsfonds für Digitalangebote der Verlage fließen. Außerdem räumt er den Medienhäusern bessere Konditionen ein, vermutlich bei der Anzeigenvermarktung und in den Suchalgorithmen.

Dieser Teil des Deals wurde schwammig formuliert, klar ist aber: Im Gegenzug darf Google künftig unbehelligt Überschriften und Textausschnitte französischer Verlagsseiten in Suchergebnissen und Google News präsentieren.

Weltweit steht Google seit Jahren in der Kritik, weil die werbefinanzierte Suchmaschine Verlagsinhalte präsentiert, ohne die Umsätze zu teilen. Der Konzern entgegnet, durch die Links würden Millionen Leser auf die Internetseiten der Verlage geleitet, was ihnen höhere Werbeeinnahmen sichere. Der Konflikt beschäftigt Regierungen, Parlamente und Gerichte in mehreren Ländern - die Einigung in Frankreich war für Google besonders wichtig.

Präsident Hollande erklärte die Einigung gleich zu einem "Weltereignis", das in die Mediengeschichte eingehe; Google-Verwaltungsratschef Eric Schmidt nannte es "historisch". Tatsächlich ist es die zweite Einigung binnen Monaten, nachdem sich schon die belgischen Verlage nach langem Streit mit Google auf eine ähnliche Regelung verständigt hatten.

Alternative zur Eskalation

Die Medienhäuser in beiden Ländern haben sich damit entschieden, gemeinsam mit Google ihre digitalen Geschäftsmodelle auszubauen, statt sich mit dem marktmächtigen Konzern völlig zu zerstreiten. Die Einigung folgt der Erkenntnis, dass ihre Geschäftsmodelle in hohem Maße von Google als wichtigstem Informationsverteiler im Internet abhängen. Die latente Bedrohung, bei einer weiteren Eskalation aus den Suchergebnissen aussortiert zu werden, wie in Belgien kurzzeitig geschehen, ist für die Medienhäuser ein großes Risiko.

Der Kompromiss birgt dagegen die Chance, dass Google künftig Anzeigen für Verlagsangebote verbilligt, günstigere Werbemodelle aufsetzt und journalistische Inhalte noch prominenter platziert - selbst wenn es sich zum Beispiel um Bezahlangebote handelt. Die Medienhäuser vertrauen darauf, dass ihre Seiten durch den Google-Deal mehr Leser und damit dauerhaft mehr Umsatz bekommen als etwa in einem Leistungsschutzrecht zu erwarten. In Frankreich gab daher weniger die 60-Millionen-Euro-Spende den Ausschlag als das Versprechen, geschäftlich intensiv zusammenzuarbeiten. So war es auch in Belgien.

Damit haben die Streitparteien in beiden Ländern nach langer Eskalation des Konflikts einen anderen Weg eingeschlagen, als er sich in Deutschland gerade abzeichnet. In der vergangenen Woche beriet der Rechtsausschuss des Bundestags den Regierungsentwurf für ein Leistungsschutzrecht, das Google und andere Aggregatoren, die Verlagsinhalte nutzen, in Linzenzverhandlungen mit den Verlagen zwingen soll.

Regel geht vor Geschäft

Die Medienhäuser in Frankreich und Belgien dagegen haben eine Einigung mit Google erreicht, ohne dass es tatsächlich eines Gesetzes bedurfte, und sich weiteren Streit erspart, der weiten Teilen der Öffentlichkeit unverständlich ist und meist dem Ruf der Verlage schadet.

Ist solch geschäftlicher Pragmatismus am Ende auch in Deutschland denkbar? Bisher sieht es nicht danach aus.

Kay Oberbeck, Sprecher von Google in Deutschland, twitterte zwar: "Partnerschaften und Innovationen sind immer besser als schlechte Gesetze." Ein Angebot, den Deal von Paris in Berlin zu wiederholen, war das aber nicht.

Verlags-Lobbyist Keese sieht sich durch Googles Kompromissbereitschaft in seinen Geldforderungen bestätigt und antwortete auf eine SZ-Anfrage, ob die französische Lösung übertragbar sei, mit der Gegenfrage: "Was ist mit dem nächsten Aggregator, der genau das Gleiche macht?" Die französischen Verleger hätten nun gegen Google einen wichtigen Erfolg erreicht, aber gegen ähnliche Dienste helfe das nichts. Darum brauche es das deutsche Gesetz: "Nichts ist besser als eine allgemeine Regel."

Offenbar nicht einmal ein lukratives Geschäft.

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