Journalist in Frankreich abgehört:"Allerschlimmster Sarkozysmus"

Die französischen Medien sind entsetzt. Ein Journalist, der in der Bettencourt-Affäre ermittelte, ist von Polizei und Inlandsnachrichtendienst ausspioniert worden - vermutlich, um Regierungskreise zu schützen. Der zuständige Staatsanwalt steht der Regierungspartei UMP und Präsident Sarkozy nahe.

Michael Kläsgen

Nicht nur für die regierungskritische Presse in Frankreich ist es ein Schock: Ein Oberstaatsanwalt hat gegen Recht verstoßen, um, wie viele meinen, die Regierung zu schützen. Das oberste Revisionsgericht des Landes stellte am Dienstag fest, dass Staatsanwalt Philippe Courroye den Quellenschutz von Journalisten verletzt hat.

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Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy (l.) und Oberstaatsanwalt Philippe Courroye bei einer Zeremonie in Mont Valerien bei Paris. Sarkozy hatte ihm im April 2009 den Nationalen Verdienstorden verliehen und als "Freund" bezeichnet.

(Foto: afp)

Courroye, der Staatspräsident Nicolas Sarkozy nahestehen soll, ermittelte in der Bettencourt-Affäre. In dem vielschichtigen Fall um die milliardenschwere Erbin des Kosmetikkonzerns L'Oréal steht auch der Verdacht im Raum, Liliane Bettencourt habe vor der Wahl 2007 Sarkozys Partei UMP illegal finanziert. Die Zeitung Le Monde veröffentlichte mehrfach pikante Details zur Affäre, bis einem Reporter auffiel, offenbar ausspioniert zu werden.

Kritiker sehen sich nun bestätigt, dass Courroye das veranlasste und gezielt nach der Informationsquelle der Zeitung fahndete. Dazu habe er Polizei und Inlandsnachrichtendienst beauftragt, die Telefonverbindungen bestimmter Redakteure zu überprüfen. Deshalb werden auch schwere Vorwürfe gegen Polizeichef Frédéric Péchenard und den Leiter des Inlandsnachrichtendienstes, Bernard Squarcini, laut.

Le Monde weitete in der Montagsausgabe die Vorwürfe noch aus: Es sollen nicht nur Telefonate der Journalisten, sondern auch der Tochter eines Reporters registriert und Bankdaten von Angehörigen erfasst worden sein. Das Blatt vermutete bereits vor geraumer Zeit, dass der Präsidentenpalast hinter der mutmaßlichen Bespitzelung stecke. Der Élysée wies dies vehement zurück.

Courroye betonte nach dem Entscheid, das Gericht habe wohlgemerkt "nicht die geringste Straftat" festgestellt, sondern einen Rechtsverstoß angemahnt. Der Nouvel Observateur bedauert, dass auf eine solche Verletzung keinerlei Strafe steht. Der Chefredakteur des Wochenmagazins Le Point sprach nach dem Gerichtsentscheid von "allerschlimmstem Sarkozysmus".

Französische Medien halten Courroye seit langem für parteiisch. Sarkozy hatte ihm im April 2009 den Nationalen Verdienstorden verliehen. Bei der Zeremonie soll er den Staatsanwalt als "Freund" bezeichnet haben. Später tauchten immer wieder Berichte auf, die nahelegten, dass Courroye die Untersuchungen in der möglichen Parteispenden-Affäre nicht vorantrieb, sie vielmehr mit legalistischen Mitteln obstruierte.

Die Öffentlichkeit treibt nun auch diese Frage um: Wie geht es weiter mit den Ermittlungen, die sich eh dahinschleppen? Das Gericht erklärte die Untersuchung von Courroye jedenfalls für nichtig.

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