GoT-Schöpfer Martin in Hamburg:Warten auf 18 Seiten

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Fast so gut wie Robbie Williams: Autor George R. R. Martin in Hamburg. (Foto: Marc Schüler/imago)

"Hello Hamburg", ruft George R. R. Martin - und die Menge kreischt. Der "Game of Thrones"-Schöpfer kommt an bei seinem Deutschlandbesuch.

Von Angelika Slavik, Hamburg

Das Ledermäppchen macht die Masse ganz hibbelig. Das Ledermäppchen ist braun und abgewetzt, so wie man sich das vorstellt, und es hat einen goldfarbenen Reißverschluss. Es wird mehr als eine Stunde dauern, bis George R. R. Martin den verdammten Reißverschluss endlich öffnet.

George R. R. Martin ist der Mann, der "Das Lied von Eis und Feuer" geschaffen hat, jene Fantasy-Reihe also, die als Vorlage für die sehr erfolgreiche HBO-Serie Game of Thrones (GoT) dient. George R. R. Martin ist auch ein Mann, der auf Twitter kürzlich viele unfreundliche Dinge über sich lesen konnte - als die letzte Folge der fünften GoT-Staffel ausgestrahlt wurde, waren viele Anhänger entsetzt über den grausamen Tod einer beliebten Figur. Zumindest bei den deutschen Anhängern scheint der Ärger nicht zu lange vorgehalten zu haben - als der Autor am Sonntagabend in Hamburg auftritt, erwarten ihn 3000 Fans in ehrfürchtiger Anspannung.

Martin - Schiebermütze, Zottelbart, silbrig-schimmernde Weste - stapft ein wenig kurzatmig auf die Bühne. "Hello Hamburg", ruft er, die Masse kreischt. George R. R. Martin kommt fast so gut an wie Robbie Williams vor zehn Jahren. Ob das an dem Ledermäppchen liegt?

Im Schachklub beeindruckst du keine Mädchen

Der Literaturkritiker Denis Scheck befragt Martin nun über, nun ja, dieses und jenes. Man erfährt, dass Martin schon als Kind Fantasy-Figuren gesammelt und sich grausame Geschichten über sie ausgedacht hat. Dass er Drachen "cool" findet, Außerirdische aber auch. Dass er während der Schule Mitglied im Schachklub war, was damals wie heute kein geeignetes Mittel sei, um pubertierende amerikanische Mitschülerinnen zu beeindrucken.

Vor allem aber erfährt man, wie Martin den Tag in Hamburg verbracht hat: "Mit Sibel", sagt er. Die Schauspielerin Sibel Kekilli sitzt im Zuschauerraum und winkt. Kekilli, 35, spielte in den ersten vier GoT-Staffeln die Prostituierte Shae, die schließlich von einem ehemaligen Geliebten erwürgt wird. An diesem Sonntag gab sie offenbar die Stadtführerin. "Wir sind zusammen Boot gefahren", sagt Martin. Am nächsten Morgen wird er das vor Journalisten noch einmal wiederholen und sagen, dass er Kekillis Charakter niemals hätte sterben lassen können, hätte er sie früher kennengelernt. Bootfahren mit Sibel ist offenbar ein nachhaltig beeindruckendes Erlebnis.

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Martin erzählt, dass er sich für Zukunftsvisionen immer begeistert habe, dabei aber auf fliegende Autos und Marsbesiedelung gehofft habe, nicht auf "Terrorismus, Erderwärmung und Internet". Ein hübscher Schenkelklopfer noch, dann ist - endlich! - die Zeit für: das Ledermäppchen.

Das Publikum hält die Luft an

Martin stapft zum Lesepult. Er holt 18 Seiten hervor, es ist ein Kapitel des heiß erwarteten sechsten Bandes des "Eis und Feuer"-Epos. Das Publikum hält die Luft an. Allerdings, sagt Martin, würden all jene jetzt ziemlich verwirrt sein, die sein Werk nur aus der Serie kennen. Im Lauf der Zeit haben sich Buch und Serie voneinander entfernt. Wer am Bildschirm gestorben ist, sei mitunter im Buch noch am Leben.

Schade eigentlich, dass Sibel Kekilli davon nichts mehr hat.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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