Goldene Kamera:Technische Exzellenz beim Treten nach unten

Ryan Gosling und sein deutscher Doppelgänger

Ryan Gosling und sein deutscher Doppelgänger.

(Foto: Paul Drinkwater/NBC/dpa)

Der falsche Ryan Gosling von Joko und Klaas ist nicht der große Wurf, zu dem er gerade gemacht wird. Er richtet sich an einen Gegner, der am Boden liegt: das deutsche Fernsehen.

Von Jakob Biazza

Bestaunen wir kurz das tadellose Handwerk. Das Team von Circus Halli Galli hat das schließlich alles sehr wasserdicht hinbekommen, als es ein Ryan-Gosling-Double bei der "Goldenen Kamera" einschleuste. Es gab eine Fake-Agentur, die der Funke-Mediengruppe anbot, was die für ihre "Goldene Kamera" so desperat herbeigesehnt hat: einen (weiteren) internationalen Star. Man hat dieser Agentur eine Homepage designt. Sogar einen eigenen Claim gab es: "Conrad, Hertz & Gravemann - We are the link between celebrities, brands and media". Technische Exzellenz!

Auch später, auf der Verleihung selbst. Man kann da beinahe von einem "Inside Job" sprechen. Joko und Klaas kennen den Preis. Sie waren selbst oft genug dort, um zu wissen, was der Veranstalter jetzt bestätigt hat: "Dass Stars und andere gefährdete Personen ihre eigenen Sicherheitsleute mitbringen und das Sicherheitskonzept der Goldenen Kamera hier nicht mehr zieht." Heißt: Man konnte das Gosling-Double in einem "Tross von Mitarbeitern" (Zitat der Veranstalter) so abschirmen, dass es unerkannt blieb. Den Rest erledigt das Gehirn dann von ganz allein: Es sieht einen von Securitys abgeschirmten Mann, das Gesicht etwas in einem Mantel verborgen. Es sieht klickende Kameras. Es bekommt Aufregung simuliert. Da rechnet es etwaige Unstimmigkeiten leicht raus. Volle Punktzahl in der Haltungsnote!

Treten gegen eine Sendung, bei der man eh nur teigig-blasse, karpfengesichtige Fassungslosigkeit sieht

Aber technische Exzellenz ist in diesem Fall blutleeres Schaulaufen. Bei der Frage, ob etwas gut ist, geht es nicht nur darum, wie es gemacht ist. Es geht auch und vor allem darum, was man da gemacht hat. Und warum. Und im speziellen Fall von Satire geht es doch vor allem um die Fragen: Was zeigt das? Was entlarvt es? Gegen wen tritt man damit an? Oder wenigstens: Gegen wen tritt man?

Joko und Klaas treten gegen eine Sendung, in der man unter anderem dies sieht: den Schauspieler Matthias Matschke, der in einem übergroßen Briefumschlag steckt, während seine Kollegin Annette Frier eine Art plumpen Stammestanz aufführt, in dessen Choreographie sie sich an die Brüste packt und die Nominierten in den Kategorien beste Schauspieler männlich/weiblich vorafft. Den Comedian Sascha Grammel, der sich mit seiner Geier-Handpuppe an Thermometer-im-Po-Witzen versucht, die auch dann nicht lustig wären, wenn sie auch nur irgendwas mit der Veranstaltung zu tun hätten. Oder einen Simultanübersetzer, der, als der Ire Colin Farrell (geehrt als bester Schauspieler international) den "property makers" dankt, den Requisitenbauern also, daraus "Vermieter und Immobilienleute" macht.

Joko und Klaas treten also gegen eine Sendung, bei der man während jedes Kameraschwenks ins Publikum teigig-blasse, karpfengesichtige Fassungslosigkeit sieht. Brutal in die Mimik geprügelte Fremdscham. Ein kollektives "WTF?!", das wie eine Gefühls-Cloud über den Zuschauern (die ja zu größeren Teilen auch Beteiligte sind) hängt. Und das jedes Jahr. Jedes. Jahr.

Wir reden hier von einer Sendung, die die Bilder ihrer eigenen Bloßstellung selbst liefert. Freiwillig. Was gibt es da noch zu entlarven?

So überraschend wie einen schweren Legastheniker das Wort "Legasthenie" schreiben zu lassen

Zum Vergleich: Als Jan Böhmermann einen Fake-Kandidaten bei "Schwiegertochter gesucht" einschleuste, deckte er damit die menschenverachtenden Mechanismen einer widerlichen Sendung auf. Einer Sendung, die Menschen vorführt, die dem (intellektuell) nicht gewachsen sind, was man mit ihnen tut. Das ist ein Kampf gegen einen echten Gegner. Gegen ein System, das die Schwächsten demütigt.

Was Joko und Klaas tun, geht deutlich in die andere Richtung. Es entlarvt Dinge, die eh jeder weiß. Die jeder selbst live sehen, nein, die jeder körperlich spüren kann, der den Fernseher anhat. Es ist also ungefähr so überraschend, wie einen schweren Legastheniker vor laufender Kamera das Wort "Legasthenie" schreiben zu lassen. Es geht gegen jemanden, der (nicht nur an diesem Abend) eh schon am Boden liegt - das deutsche Fernsehen. Aber es liefert dabei vielleicht auch einen griffigen Claim: "Joko & Klaas - Technische Exzellenz beim Treten nach unten".

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