Eineinhalb Monate lang hat Wolfram Weimer still gehalten. Ende Juli war sein kurzes Jahr als Chefredakteur des Focus zu Ende gegangen. Er hatte sich mit seinen Vorstellungen eines anderen, anspruchsvolleren Hefts nicht gegen seinen Herausgeber Helmut Markwort und seinen Co-Chef und jetzigen Nachfolger Uli Baur durchsetzen können; inzwischen wurden viele seiner Renovierungsarbeiten wieder eingedampft, zuletzt das erfreulich brachiale "Debatten"-Ressort.
Nun hat sich Weimer erstmals wieder zu Wort gemeldet. In ihrer Beilage "Christ & Welt" druckt die Zeit am Donnerstag einen Artikel ab, in dem das Wort "Focus" zwar kein einziges Mal fällt. Es geht ums große Ganze: die "geistigen Reserven" einer Gesellschaft. Doch wer weiß, für welche Art Focus Markwort und Baur stehen, dem springt die Abrechnung des Autors förmlich ins Gesicht.
Da ist von jener "Nutzwertideologie" die Rede, "die tatsächlich glaubt, das Praktische sei das Eigentliche"; davon, dass bei den wirklich wichtigen Dingen im Leben - wozu auch der "diskursfähige Journalismus" zähle - "das Nutzwertige zuweilen wie eine Gebrauchsanweisung zur Infantilisierung" wirke.
Später beschreibt Weimer, mit erkennbarem Ekel, eine Gesellschaft, die "im Big-Brother-Container sitzt und über Pickel und Burn-out räsoniert". Der aktuelle Focus-Titel: "Generation Burn-out'.