"Clara Immerwahr" im Ersten:Da brüllt der kleine Chemiker

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Clara Immerwahr (Katharina Schüttler) mit Ehemann Fritz Haber (Maximilian Brückner). (Foto: Petro Demenigg/SWR)

Die ARD verfilmt das Leben der zu allem entschlossenen Chemikerin Clara Immerwahr. Leider wirkt der Film trotz der glänzenden Hauptdarstellerin Katharina Schüttler bisweilen unfreiwillig komisch.

Von Claudia Tieschky

Mit Sicherheit ist das Fempic nicht erfunden worden, um Männer beim Bügeln vor dem Fernseher zu unterhalten. Fempics, so nennen wir diese öffentlich-rechtlichen Frauenfernsehfilme einfach mal, sind einfühlsam erzählte Lebensgeschichten jeweils einer historisch bemerkenswerten Frau aus der deutschen oder österreichischen Historie. Das dient dem Bildungsauftrag, Gleichberechtigung weit über den Haushalt hinaus zu propagieren, und ist entsprechend selten eine Komödie, sondern eine mindestens so ernste Sache wie der gute deutsche Tatort.

Eine weitere Parallele zur Krimireihe sind die Arbeitsmöglichkeiten für bekannte Schauspieler. Als wahre Spezialistin des Genres kämpfte sich Heike Makatsch nacheinander als Margarethe Steiff, Hildegard Knef und Dr. Hope Bridges durch die Wirren männlich dominierter Weltgeschichte. Felicitas Woll war die schnelle Bertha Benz. Birgit Minichmayr, neulich als Hochstaplerin Adele Spitzeder zu sehen, verfilmt gerade das Leben der Bertha von Suttner.

Auch im ARD-Drama um die 1870 bei Breslau geborene hochbegabte Chemikerin Clara Immerwahr geht es so frühemanzipiert zu, dass man unter jeder Perücke Iris Berben in einer Weiterung ihrer Rollen als Berta Krupp, Cosima Wagner oder Elisabeth Selbert erwartet. Doch auch die Abwesenheit der Volksschauspielerin Berben löst nicht das Problem des Films. Die Balance zwischen der für das Verständnis nötigen historischen Erzählung und dem inneren Drama einer in ihrem Tatendrang ständig eingeengten Frau ist natürlich schwierig. Wenn allerdings Claras Ehemann Fritz Haber - er erfand das 1915 erstmals von den Deutschen eingesetzte Giftgas - gleich zu Beginn ausruft "Ich habe diesen Krieg nicht gewollt", um vorsichtshalber noch ein "Wartet nicht mit dem Essen auf mich" hinterherzuschicken, dann ist das Private beim besten Willen nicht politisch - sondern einfach nur ungewollt komisch.

Kalt, nicht gefügig

Dabei hat Clara Immerwahr eine wenig bekannte, keineswegs schlichte Geschichte zu erzählen und mit Katharina Schüttler eine glänzende Hauptdarstellerin. Die promovierte Naturwissenschaftlerin Clara Immerwahr erschoss sich im Mai 1915 nach dem ersten Giftgaseinsatz in Ypern, die ihr Mann mit seinen Forschungen am Kaiser- Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin unter militärischer Geheimhaltung vorbereitet hatte. Der Film zeigt eine so entschlossene wie idealistische junge Frau, die ihre Ehe mit Haber zuerst als Projekt unter gleichberechtigten Wissenschaftlern eingeht, und dann mit ihren Ambitionen an der Männerwelt nicht nur scheitert, sondern letztlich daran zugrunde geht. Ihr Aufbegehren, ihr Forscherdrang ist in ihrer Zeit unakzeptabel. Man weist sie ein und behandelt sie mit Eisbädern. Kalt wird sie davon, nicht gefügig.

Die Balance zwischen Historie und Drama gelingt dem Film nicht

In Katharina Schüttlers wahnsinnig hartem Gesicht ist die Erstarrung dieser an den Zuständen immer irrer werdenden Frau gut zu sehen. Nur mit dem feschen Österreicher David Sachs (Philip Hochmair mit Nikolaus-Brender-Schnauzbart) lächelt sie, aber den lässt sie laufen, um eine gute Ehefrau und Mutter zu sein. Auch der latente Antisemitismus der Zeit klingt im Film an; wenige Jahre später wird der als Gesinnung offen propagiert und zwingt Haber 1933 zur Emigration in die Schweiz. 1914 aber ist er ein anerkannter Forscher mit Ehrgeiz, dem die komplizierte Gattin hinderlich, ja sogar schädlich wird. "Clara Immerwahr war niemals klein, bis sie dich geheiratet hat", brüllt sie Haber (Maximilian Brückner, auch mit Schnauzer) an. Die Ehe, geschlossen als deutsche Forschungsgemeinschaft, wird zum Drama und dann zum Krieg.

Dabei hatte es so schön begonnen mit den beiden, im Labor zwischen explodierenden Reagenzgläsern. "Die Chemie stimmt", kalauert der ARD-Film. Da brüllt der kleine Chemiker in uns.

Clara Immerwahr , ARD, Mittwoch, 20.15 Uhr

© SZ vom 28.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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