Arte:Milli-Vanilli-Doku: "Robert wäre im Fußball besser aufgehoben gewesen"

Milli Vanilli Arte

Singen? Bloß nicht! Frank Farian und seine Schützlinge Milli Vanilli.

(Foto: Arte/Milli Seegieth)

Eine kleiner Dokumentarfilm nähert sich Milli Vanilli, dem früheren Fake-Pop-Duo bestehend aus Robert Pilatus und Fab Morvan, auf sehr persönlicher Ebene.

TV-Kritik von Carolin Gasteiger

Wie oft wurde die Geschichte von Milli Vanilli schon erzählt? Von dem Duo Fabrice Morvan und Robert Pilatus, die mit Hits wie "Girl you know it's true" und "Blame it on the rain" Ende der Achtziger große Erfolge feierten. 1990 gewannen sie sogar einen Grammy. Doch ihre Erfolgsgeschichte endete in einem Skandal, als bekannt wurde, dass sie niemals je einen Ton selbst gesungen hatten.

Die Medien griffen die Affäre begierig auf, und erst vor Kurzem äußerte sich der damalige Produzent Frank Farian im Spiegel-Interview dazu. Und doch bietet die Arte-Dokumentation Milli Vanilli - From fame to shame, die im Rahmen des Schwerpunkts "Summer of Scandals" läuft, einige interessante Facetten. Nicht nur für Fans von Milli Vanilli.

Das liegt allein schon an den damaligen Zeugen der Geschichte, die in dem Film eine der größten Betrugsgeschichten im Popbusiness aus einer sehr persönlichen Perspektive schildern - und die man selten so versammelt erlebt hat. Neben Frank Farian und Fab Morvan äußern sich etwa Carmen Pilatus, die über ihren sportlich ambitionierten Bruder resümiert: "Der Robert wäre im Fußball besser aufgehoben gewesen." Tatsächlich spielte Pilatus vor Milli Vanilli bereits in der FC Bayern-Auswahl. Oder der Produzent Werner Schüler, der schon früh bemerkte, dass Singen nicht zu den Stärken von Fab Morvan und Rob Pilatus gehörte.

Offen und ehrlich erklären die Beteiligten, wie unverblümt sie schließlich die Idee umsetzten, dass die beiden Jungs eben nur so tun, als würden sie singen. Erstaunlich ist dabei, wie sich alle von Anfang an auf das Image von Milli Vanilli konzentrierten, nicht auf ihr künstlerisches Können. "Über Konsequenzen hat anfangs keiner nachgedacht", sagt Farians Assistentin Ingrid "Milli" Segieth an einer Stelle.

Was folgt, ist Aufstieg und besonders Fall eines Popduos. Im Fokus steht dabei Robert Pilatus, der als Adoptivkind in Bayern aufgewachsen ist, der aber Ruhm und Erfolg von Milli Vanilli kaum verkraften konnte. Irgendwann soll er sich so mit seiner Playback-Stimme identifiziert haben, dass er tatsächlich dachte, das sei er, bezeugen die Beteiligten im Film. An einer Stelle wird er zitiert mit: "Ich bin der neue Elvis." Pilatus verlor viel stärker als Kollege Morvan die Bodenhaftung.

Tiefer Fall

Als die beiden im März 1990 den Grammy entgegennahmen, sank Farian laut eigener Aussage in Deutschland immer tiefer in die Couch - weil er von da an mit dem Schlimmsten rechnete.

Sie wollten auf dem nächsten Album beide selbst singen. Aber singen? Bloß nicht! Acht Monate später enthüllte Farian auf einer Pressekonferenz die große Lüge. Es folgte der Absturz. Bei Robert Pilatus ging der so weit, dass er sich durch Drogenabhängigkeit und Arbeitslosigkeit nicht mal mehr Socken leisten konnte.

Immer wieder kommt der 1998 Verstorbene selbst zu Wort, es sind Mitschnitte seines letzten Interviews, das er fünf Wochen vor seinem Tod gegeben hat, und in dem er unter anderem von seiner Drogensucht erzählt: "Jeder Tag ist ein Kampf." Und seine Stimme klingt bitter, als er hinzufügt: "Ganz klar, wenn ich das nochmal vergeige, werde ich die Sache nicht überleben."

Wären Milli Vanilli gefloppt, wenn sie die Wahrheit gesagt hätten?

Pilatus hat die Sache nicht überlebt, am 2. April 1998 wurde er tot in einem Frankfurter Hotelzimmer aufgefunden. Sein von vielen Exzessen geschwächtes Herz hatte einen Cocktail aus Psychopharmaka, Alkohol und Koks nicht mehr verkraftet. Die Frau, die ihn fand, bekommt vor der Kamera eine zittrige Stimme. Und Fab Morvan sagt über seinen verstorbenen Duettpartner: "Er war mein Freund. Jemand, den ich wirklich als Freund bezeichnen konnte."

Aussagen wie diese, kein reines Fakten-Aufwirbeln, machen diesen kleinen Film sehenswert. Und die entscheidende Frage stellt Produzent Schüler ganz am Ende: Was wäre gewesen, wenn alle gewusst hätten, dass Milli Vanilli nur performen? Wären sie dann automatisch gefloppt? "Vielleicht wäre es derselbe Erfolg geworden", meint Schüler. Aber diese Frage hat wirklich nie jemand gestellt.

Milli Vanilli: From fame to shame, Arte, Samstag, 22 Uhr

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