"Alte Schachteln" bei Arte:Psst, jetzt wird's unanständig

Lesezeit: 2 min

Der Altherrenwitz war gestern, nun sorgen bei Arte drei ältere französische Damen für die tägliche Dosis Heiterkeit. Bei Tee und Törtchen beackern sie das weite Feld des Schmuddelwitzes. Selten wurde Zotiges stilvoller erzählt.

Harald Hordych

Das Witzeerzählen gilt nicht erst seit der Erfindung des Herrenwitzes als ureigenes Metier der Männer. Selbst die lustigsten Kabarettistinnen haben an diesem hartnäckigen Vorurteil nicht wirklich etwas ändern können. Warum das so ist, bleibt das Geheimnis gut gekleideter Männer, die auf Barhockern sitzen, lässig ein Whiskeyglas schwenken und sich zur rechten Zeit noch eine Zigarette in den Mundwinkel zaubern. Wie der irische Komiker Dave Allen, der uns zeit seines Lebens in dem Glauben gelassen hatte, das mit Ginger Ale gefüllte Glas enthalte Hochprozentiges und der mit Sprüchen wie "Ich bin Atheist - Gott sei Dank!" berühmt wurde.

Da hatte es einer, der sich entspannt und unaufdringlich gab, faustdick hinter den Ohren. Genau so verhält es sich auch mit drei älteren französischen Damen, die von Montagabend an bei Arte täglich 90 Sekunden lang für Heiterkeit sorgen sollen. Alte Schachteln heißt das Kurzprogramm. Solider und stilvoller können Witzeerzähler nicht daherkommen. Die drei sitzen in ihren aufgeräumten Wohnzimmern, jede für sich allein und sie tun, was alte Damen, die viel allein sind, nun mal gerne tun; sie erzählen genüsslich, was anderen Leuten so alles Furchtbares widerfahren kann.

Tratsch bei Tee und Törtchen, dieser hat allerdings jenen Knalleffekt zu bieten, mit dem im Vorspann eine niedliche Kuckucksuhr in tausend Stücke zerlegt wird. Es geht um Pointen wie beim Wohnzimmerfeuerwerk.

Die drei Damen haben sich schick gemacht. Aber man sieht sofort, dass sie unterschiedlichen Schichten angehören, auf dem Mittelstandsledersofa sitzt eine korpulente Dame, die sich für ihre Rundungen nicht schämt, auf einem Louis-XV- Sitzmöbel hat sich eine perlenbehangene Lady der besseren Gesellschaft niedergelassen und eine hagere, leicht säuerlich dreinblickende Dame, Typ pensionierte Lehrerin, ist die Dritte im Bunde.

Ooooh, wie schlecht ist doch die Welt. Hihihi.

Die drei sind ein bisschen förmlich, nicht ohne Lebenserfahrung. Aber vor allem haben sie viel Lust am Erzählen, auch wenn es sich um derbe Geschichten handelt, und bisweilen Typen auftreten, denen ein im Rahmen gepflegter Konversation unpassendes "Verpiss dich, Oma" locker über die Lippen geht. Das wirkt dann dank einer präzisen Synchronisation auch im Deutschen wie eine heimliche Leidenschaft, der sich die drei verschrieben haben: Psst, jetzt wird's unanständig. Aber wir sind ja Damen von Welt, da braucht sich niemand für gar nichts zu schämen. Die Witze bekommen so noch eine zweite hintergründige Ebene, gerade wenn das Feld des Schmuddelwitzes souverän beackert wird.

Selbst leicht Zotiges erzählen die drei immer gemeinsam, die Geschichte wird von einer zur anderen weitergereicht. Die Dicke ist für die herben Sprüche zuständig, die Dame kann die Dinge einschätzen, die Hagere gibt sich einfühlsam oder betroffen. Ooooh, wie schlecht ist doch die Welt. Hihihi. Der französische Regisseur Fabrice Maruka hat mit diesen skurrilen Pausenfüllern vor drei Jahren in Form eines zweiminütigen Kurzfilms angefangen, nun ist eine Serie mit 41 Folgen daraus geworden. Statt Herrenwitze jetzt Damenwitze, das ist doch mal eine feine Abwechslung. Wenn auch nur als flottes Zwischenprogramm.

Alte Schachteln; Arte, montags bis freitags, 19.05 Uhr.

Was sonst noch im TV läuft, erfahren Sie hier.

© SZ vom 02.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: