Urteil zur Sterbehilfe:Von Wille und Würde

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Ein bundesweit aufsehenerregender Sterbehilfe-Prozess ging in Karlsruhe in Revision. Vom Bundesgerichtshof wird nun Ende Juni ein Grundsatzurteil erwartet.

Der Bundesgerichtshof hat sich am Mittwoch mit grundsätzlichen Rechtsfragen der aktiven Sterbehilfe befasst. Anlass war die Verurteilung eines Rechtsanwalts wegen gemeinschaftlich begangenen versuchten Totschlags. Der auf Medizinrecht spezialisierte Anwalt hatte im Dezember 2007 Angehörigen geraten, ihre im Wachkoma liegende Mutter sterben zu lassen, indem sie die Magensonde durchschneiden und damit die künstliche Ernährung beenden sollten.

Der Fall sorgte bundeweit für Aufsehen: Fünf Jahre lang lag eine Patientin im Wachkoma, bis die Tochter auf Anraten des Anwalts die künstliche Ernährung einstellen ließ. Foto: Stephan Rumpf. (Foto: Symbolfoto: SZ)

Verteidigung und Oberstaatsanwaltschaft beantragten vor dem BGH Freispruch. Die Verhandlung wird am 25. Juni fortgesetzt. Die todkranke Frau hatte angeblich fünf Jahre zuvor den Wunsch geäußert, in einem Falle wie dem gegebenen sterben zu wollen. Das Pflegeheim hatte dieses Vorhaben letztendlich verhindert, die Frau starb aber zwei Wochen später eines natürlichen Todes.

Der BGH diskutierte in dem Zusammenhang, inwieweit sich zwei Gesetze widersprechen: Zum einen das 2009 beschlossene Patientenverfügungsgesetz, das den Sterbewillen der betroffenen Person respektiert und zwar unabhängig davon, in welchem Gesundheitszustand sie sich befindet. Dagegen steht das Verbot der Tötung auf Verlangen. Daraus ergaben sich zwei Hauptprobleme: Die Definition von "Sterben in Würde" sowie die Frage, wer inwieweit den Sterbewillen einer Person umsetzen darf.

Bundesrichter Thomas Fischer merkte an, dass ein Mensch nicht nur das Recht habe, friedlich zu sterben, sondern auch qualvoll, so er dies wünsche. Verteidiger Gunter Widmaier erklärte daraufhin: "Man kann die Würde nicht dahingehend definieren, wie ein Mensch stirbt und sie demnach schützen oder nicht. Es gilt alleine, dem Wunsch des Betroffenen, wie er sterben möchte, zu entsprechen, und nicht vorzuschreiben, wie er zu sterben hat."

Das Problem, inwieweit ihm andere dabei behilflich sein dürfen, wurde in mehreren Beispielen erörtert: Wenn ein Mensch beschlossen hat, sterben zu wollen und die Hilfe dazu straffrei ist, darf dann der Erbschleicher die Beatmungsmaschine abstellen oder ein Bekannter den gewünschten Stoß aus dem Fenster versetzen? "Nein", befand Verteidiger Widmaier. "Wer aus dem Fenster springen will, soll selbst springen und den Erbschleicher würde ich auf Mord verurteilen."

Er bemerkte zwar, dass die Grenzen schwierig zu umreißen seien. Als Kriterium sei aber der Wille des Betroffenen ausschlaggebend. "Jemandem das Kissen aufs Gesicht drücken ist eine Tötung, aber wenn ich jemanden nicht daran hindere, sich aufzuhängen, entspreche ich seinem Wunsch", sagte Widmaier. Er plädierte auf Freispruch, da sein Mandant mit dem Rat, die Sonde zu durchschneiden, keine aktive Tötung verfolgt habe.

Auch Oberstaatsanwalt Lothar Maur beantragte Freispruch, da der Anwalt im Sinne des Patientenverfügungsgesetzes, also nach dem Willen der Kranken, gehandelt habe. "Selbst wenn keine schriftliche Patientenverfügung vorhanden ist, genügt der mündlich geäußerte oder mutmaßliche Wunsch des Betroffenen", sagte Maur.

Eugen Brysch, geschäftsführender Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, mahnte: "Der Patientenwille darf nicht zum Spielball fremder Interessen werden." Der Anwalt war vom Landgericht Fulda zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Er sowie die Staatsanwaltschaft hatten dagegen Revision eingelegt.

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