Studie zu häuslicher Gewalt:Wenn das Zuhause zum gefährlichsten Ort der Welt wird

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Die Spuren von häuslicher Gewalt lassen sich vielleicht äußerlich durch Make-up verdecken, doch innerlich wiegen sie schwer. (Foto: inkje/photocase)
  • Die Polizei registriert immer mehr gewaltsame Übergriffe innerhalb von Beziehungen oder gegenüber Ex-Partnern.
  • Opfer sind in 81,4 Prozent der Fälle Frauen, Tatverdächtige zu 80,4 Prozent Männer.
  • Gewalt in Partnerschaften reicht von subtilen Formen wie Demütigung, Beleidigung und Einschüchterung, über psychische, physische und sexuelle Misshandlung bis hin zu Vergewaltigung und Mord.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Der gefährlichste Ort der Welt kann das eigene Zuhause sein. Das war nicht nur in Hameln so, wo Nurretin B. am Sonntag beschloss, der Mutter seines Sohnes ein Seil um den Hals zu legen und sie mit dem Auto durch die Straßen zu schleifen. Ein Extremfall, doch auch anderswo in Deutschland wächst die Zahl gewalttätiger Übergriffe gegen Partner oder Ex-Partner, die zur Anzeige gebracht werden. Das zeigt eine kriminalstatistische Auswertung, die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) jetzt mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamts, Holger Münch, in Berlin vorgestellt hat.

Laut der Untersuchung, die erstmals differenziert den privaten Kontext und Charakter häuslicher Gewalt erfasst, wurden in Deutschland im vergangenen Jahr 127 457 Personen Opfer von Übergriffen durch einen Partner oder Ex-Partner. Dabei handelte es sich um Mord, Totschlag, Körperverletzungen, um Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Bedrohung oder Stalking - und nur um die Fälle, die angezeigt wurden. Die Opfer, von denen manche mehrfach registriert wurden, waren zu 81,8 Prozent Frauen, doch auch Männer werden demnach immer öfter von Partnerinnen und Verflossenen angegriffen.

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Eine 28-Jährige wird an ein Auto gebunden und 250 Meter weit mitgeschleift. Täter soll ihr früherer Lebensgefährte sein. Zwei Tage vor der Tat war die Polizei noch eingeschritten, weil er der Frau gedroht hatte.

Schon seit Jahren registriert die Polizei eine wachsende Zahl von Fällen, in denen Eheleute oder Ex-Partner einander ans Leben wollen, den anderen bedrohen, verfolgen oder verletzen. Seit 2012 ist die Zahl der erfassten Opfer insgesamt um 5,5 Prozent gestiegen. Diese statistische Steigerung kann auch daran liegen, dass sich immer mehr Menschen entschließen, einen vertrauten Menschen anzuzeigen. Und dabei bleibt noch immer eine hohe Dunkelzahl.

Bei näherem Hinsehen zeigt sich auch, dass der Anstieg von Gewalt in Partnerschaften vor allem der Zunahme vorsätzlicher und schwerer Körperverletzungen geschuldet ist. Hier wurden 8,8 Prozent mehr Fälle registriert, bei einfachen Körperverletzungen 8,3 Prozent mehr. Tötungsdelikte, Stalking und Bedrohung gingen dagegen etwas zurück. Dennoch war Stalking in dem Bereich insgesamt die häufigste Straftat.

Frauen zwischen 30 und 39 Jahren machen fast ein Drittel der Gewaltopfer aus und damit laut Untersuchung die größte Gruppe. In dieser Lebensphase ist die Liebe oft nicht mehr ganz frisch, der familiäre oder berufliche Leistungsdruck aber bei vielen hoch, ebenso die Erwartung ans Sexualleben. Ab 50 Jahren sinkt das Risiko, Opfer partnerschaftlicher Gewalt zu werden, dann laut Statistik erheblich.

Wer nun wissen will, wer da schlägt, vergewaltigt oder durch aggressives Vordringen ins Privatleben quält, stößt zunächst auf Männer. Sie stellen nach der Erhebung 80,4 Prozent der Tatverdächtigen, Frauen 19,6 Prozent. Anders als bei Opfern von Gewalt steigt die Zahl der Tatverdächtigen mit zunehmendem Alter immer weiter an. Die meisten Tatverdächtigen, 36,9 Prozent, griffen nach einer Trennung ihre Ex-Partnerin an. Jeder dritte war ein Ehemann oder - deutlich seltener - eine Ehefrau. 27 Prozent der männlichen Tatverdächtigen hatten Alkohol getrunken, zwei von dreien waren der Polizei schon früher aufgefallen, wenn auch nicht unbedingt mit einer vergleichbaren Straftat.

Auch nach Nationalität wurden die Beziehungstaten aufgeschlüsselt. 71,6 Prozent der Verdächtigen hatten demnach einen deutschen Pass. Berücksichtigt man, dass 2015 in Deutschland nur etwa jeder zehnte keine deutsche Staatsangehörigkeit hatte, waren Nicht-Deutsche überdurchschnittlich häufig einer Beziehungstat verdächtig. Türken führten mit 23 Prozent der Tatverdächtigen die Statistik an, es folgten Polen und Serben. Wurden nicht-deutsche Männer Opfer ihrer Partnerinnen, waren es zuerst Türken, dann Polen. Auf Platz drei folgten Italiener.

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